: Schwäche der Demokratie
Den jüdischen Autor Gad Beck aus Berlin packt bei Nazi-Demonstrationen wie am Brandenburger Tor die Wut
Wenn heute wieder Nazis durch das Brandenburger Tor marschieren, bin ich entsetzt. Selbstverständlich hätte man eine solche Demonstration verhindern müssen! Es spricht für die Dummheit und Schwäche unserer Demokratie, wenn sie so etwas erlaubt. Wie kann es sein, dass eine solche vernichtende Macht wie der Nationalsozialismus wieder offen auftreten darf – und dann noch am 30. Januar, dem Tag der Machtübernahme Hitlers vor 67 Jahren?!
Als die Nazis damals durch das Tor marschierten, war ich 10 Jahre alt. Ich habe den Marsch seinerzeit nicht mitbekommen, da ich wie wohl die meisten Berliner Juden Angst und Ekel hatte, dorthin zu gehen. Aber es wurde damals ununterbrochen marschiert. Für die Nazis war das sehr wichtig: Es sollte ihre Macht demonstrieren.
Wenn das heute wieder erlaubt wird, ist das ein wesentlicher Schritt. Unsere Gesellschaft verstößt damit gegen eine Regel der Vernunft, einer Bewegung keinen öffentlichen Raum zu überlassen, deren Vernichtungstaktik wir erlebt haben. Eine Nazi-Demo hat nichts mit freier Meinungsäußerung zu tun. Die Demokratie darf solche antidemokratischen Aktionen nicht tolerieren. So ist die Weimarer Republik kaputtgegangen.
Wenn der Bürgermeister Eberhard Diepgen von der CDU sich wie die Nazis gegen das Holocaust-Mahnmal ausspricht, lachen die sich doch tot: „Er ist einer von uns“, denken die. Er hat ihnen damit das Tor geöffnet. Als Bürgermeister der Stadt, die das Mahnmal mit baut, hätte er beim symbolischen Baubeginn da sein müssen.
Ich als Israeli wüsste Mittel, um solche Nazi-Demonstrationen zu verhindern. Wenn ich noch jünger wäre, würde ich eine Pistole nehmen – ich habe noch einen Waffenschein – und auf solche Demonstranten schießen. Eine schöne Dekoration: deutsches Blut, von einem Juden vor dem Brandenburger Tor vergossen. Das wäre apart.
Aufgezeichnet von Philipp Gessler
Der Schriftsteller Gad Beck (77) wurde in Berlin nahe dem Alexanderplatzes geboren. Er überlebte die Shoah, ist seit 1947 israelischer Staatsbürger und lebt in Berlin. Jahrzehntelang leitete er die Jüdische Volkshochschule.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen