: Die Maschine bedient...
■ ...aber wer nicht aufmerksam ist, wird von ihr gezwickt: Der kalifornische Künstler Barney W. Haynes präsentiert seine Erlebnisinstallation The Symbiont auf Kampnagel
Viele freundliche Maschinen nehmen uns die Arbeit ab und laden ein zu netten Spielchen. Manche futtern richtiges Geld, aber die meisten, hat man sie erst mal gekauft, wollen nichts weiter, als ein wenig Strom zum Fressen. Sie sitzen, liegen, stehen so herum und warten, dass Frauchen und Herrchen sich mit ihnen abgeben. Was sie dabei denken, scheint gleichgültig. Aber nicht mehr lange. Da gibt es die neue Generation von Maschinen, die können richtig grantig werden, wenn ihnen keine Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Der „Symbiont“ von Barney W. Haynes ist so eine. Die raumgreifende Kombination von hydraulischem Fernsehsessel, Großbild-monitor und Roboterarmen stellt sich ganz auf seinen Benutzer ein, bietet individuell Bild und Ton und gemütliche Vibrationen. Doch wehe, die Aufmerksamkeit lässt nach! Dann versucht das seltsam lebendige Ding, mit allen Mitteln diese zurückzugewinnen, wie ein störrisches Kind. So etwas kann nur aus Kalifornien kommen. Nicht bloß, weil Haynes in Oakland Professor für Videokunst ist, sondern vor allem, weil mit Hollywood und Silicon Valley die Zentren von Zukunftsvisionen und ihrer Umsetzung dort liegen.
Nüchtern betrachtet, ist das, was an Haynes' Maschine hier so high-tech aussieht, in Kalifornien bereits Schrott. Alles an diesem Objekt ist recycelt. So steht es in der Junk-Art-Tradition des letzten Projekts „Tales from the Chopping Cart“, mit dem Haynes 1994 auf Kampnagel zu Gast war. Damals musste man eine Installation durch das Bewegen von Einkaufswagen in Betrieb setzten, heute bedient einen die Installation, und das sogar im Sitzen.
Der Symbiont bietet vor allem Synästhesien: Der Sound wird mit den Augen gemacht, und die Töne werden gefühlt. Denn mittels Kamera verfolgt die Maschine die Blickrichtung, und durch den Blick werden die Video- und Soundclips ausgewählt. Während die Bässe über den beweglichen Stuhl kommen, wird der übrige Ton direkt in den Körper gebracht: Der ungewöhnlichste Teil der Maschine ist ein aufdringlicher Arm mit „Nippel-Speaker“, eine Toneinheit in einem Babysauger, die den Sound über Mund und Kieferknochen zum Ohr bringt.
Der Symbiont ist keine Kunst zum Angucken – er will seinen Benutzer ganz integrieren. „Art comes out and touches you!“ sagt der kalifornische Erlebnismaschinist. Ein intensives Erlebnis – aber Achtung: Wer nicht voll konzentriert dabei ist, wird gezwickt! Hajo Schiff
Eröffnung: Do, 3. Februar, 20.30 Uhr, bis 26. Februar, jeweils Mi - So ab 18.30, alte Meisterbude im Kampnagel-Foyer
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