: „Da steckt gar nicht viel dahinter“
Die harmlosen Schäfchen der Neuen Deutschen Härte auf der Flucht vor der PC-Polizei? Die taz hamburg sprach mit Wolf-Rüdiger Mühlmann, Autor von Letzte Ausfahrt: Germania.
taz: Welche Reaktionen hast du bislang zu Letzte Ausfahrt: Germania erhalten?
Mühlmann: Durch die Bank weg gute. Keim Verriss, kein gar nichts. Die kommen noch. Ich denke, Jungle World wird dagegenschießen. Die müssen das. Ein paar Rechtsausleger ebenso, weil ich beide Seiten angreife. Wenn von deren Seite nichts käme, würde ich mich ernsthaft fragen, was ich falsch gemacht habe.
Mit welcher Motivation hast Du dieses Buch geschrieben?
Ich bin vom Berliner I.P. Verlag gefragt worden, ob ich Interesse hätte. Und da habe ich gedacht, eigentlich schon, weil ich den Streit um Rammstein und ihren „Riefenstein“-Videoclip zu dem Song „Stripped“ sehr interessant fand. Auch die Sache mit der Band Weissglut und ihrem umstrittenen Sänger Joseph-Maria Klumb hat mich sehr interessiert. Vor allem die Frage: Wer ist dieser Klumb wirklich? Außerdem war es das erste Mal, dass die Macht der Medien einen Musiker aus der zweiten oder dritten Reihe so derartig abschießt, totschreibt und einen solchen Druck ausübt, dass der gehen muss.
Warum der Titel „Letzte Ausfahrt: Germania“?
Zum einen eine kleine Persiflage auf das Buch Letzte Ausfahrt Brooklyn, zum anderen den Begriff „Germania“ nicht als Land zu verstehen, sondern als Art, sich zu geben.
Wodurch zeichnet sich die Neue Deutsche Härte denn nun aus? Was soll das mit dem rollenden „Rrrr“?
Das sind Bands, die eingängige, fast schon marschhafte Riffs mit leichten Elektronikeinflüssen vermischen. Eigentlich spielt das gerollte „R“ keine Rolle. Aber: Wenn die Band aus Deutschland kommt und ein Image aus Strenge, militärischem Auftreten und martialischem Hokuspokus pflegt, zweideutige Texte oder Phrasen wie „weißes Fleisch“ schreibt, dann ist das „R“ natürlich sehr wirkungsvoll und ein Ausländer könnte denken, das ist das Bild vom hässlichen Deutschen.
Was denkst Du über Rammstein, deren politischer Indifferenz und beharrliche Weigerung, Stellung zu ihren Texten zu beziehen?
Ich würde der Band wegen ihres Auftretens, ihrer Texte und des gerollten „R“ keine Vorwürfe machen. Was die Texte bedeuten, weiß einzig und allein ihr Verfasser Till Lindemann. Manchmal glaube ich, da steckt gar nicht viel dahinter, oder es sind ein paar intime Gedanken, die er so zu Papier bringt, dass sie keiner entschlüsseln kann. Die stattgefundenen Medienattacken à la Spiegel waren bis dahin absoluter Unfug. Altgewordene Oberschüler, denen die Feindbilder abhanden gekommen waren. Das einzige, was ich der Band vorwerfe, ist das „Riefenstein“-Video. Man kann solch ein Bildmaterial verwenden, wenn am Ende herauskommt, was man meint. Aber kommentarlos ein paar Bilder aneinanderreihen, das kann man nicht bringen.
Interview: Oliver Rohlf
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