: Fischer: Haider will Kanzler werden
■ Deutscher Außenminister warnt vor Machtergreifung des FPÖ-Chefs in Wien. ÖVP und FPÖ einigen sich auf ein Regierungsprogramm und je fünf Minister für beide Parteien. Der Druck aus dem Ausland wächst
Wien/Berlin (taz) – Die deutsche Bundesregierung sieht die gestrige Einigung von FPÖ und ÖVP auf ein gemeinsames Regierungsprogramm als ersten Schritt zu einer Machtergreifung des FPÖ-Vorsitzenden Jörg Haider in Österreich. „Er will Bundeskanzler werden“, warnte Bundesaußenminister Joschka Fischer gestern in Berlin, „und da wird ihm jetzt die Tür geöffnet.“ Europa erlebe zum ersten Mal, dass eine Partei wie die FPÖ sich nicht nur anschicke, in die Regierung einzutreten, „sondern diese Regierung auch zu dominieren“. Die Verteilung der Kabinettsposten auf je fünf Ministerien zeige, dass die FPÖ nicht nur Juniorpartner sei. Der Minister charakterisierte die FPÖ als „antieuropäisch, ausländerfeindlich“ und „von einem sehr zweifelhaften Verhältnis zur nationalsozialistischen Vergangenheit“ beseelt. Hinter Fischers Warnung steht die Befürchtung, die ÖVP zu Haiders Geisel. Haider könnte zu einem ihm genehmen Zeitpunkt die Koalition platzen lassen, um dann Bundeskanzler zu werden. Dazu passe Haiders Entscheidung, vorläufig Landeshauptmann in Kärnten zu bleiben, sagte Fischer. Laut Meinungsumfragen ist die FPÖ derzeit die stärkste Kraft in Österreich.
Sowohl Regierungsprogramm wie Kabinettsliste legten ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel und Haider gestern dem Bundespräsidenten Thomas Klestil vor: Mit den Ministerien für Finanzen und Soziales erhält die Haider-Partei reichlich Spielraum für die konservative Wende. Weiterhin bekommt die FPÖ das Justiz und Verteidigungsministerium sowie das neue Infrastrukturministerium und zwei Staatssekretärsposten. Die ÖVP hat sich neben dem Bundeskanzler das Außen- und das Innenministerium ausbedungen sowie die Ressorts Landwirtschaft, Bildung und Wirtschaft.
Inzwischen sind auch erste Einzelheiten über den Budgetsanierungsplan durchgesickert. Geschröpft werden alle mit einer Erhöhung der Elektrizitätsabgabe, die jährlich 5 Mrd. Schilling (714 Mio. Mark) bringen soll. Raucher und Autofahrer werden besonders zur Kasse gebeten. Die Steigerung der Kfz-Steuer wird auf 570 Mio. Mark geschätzt, von einem Aufschlag auf die Tabaksteuer erwartet man weitere 170 Mio. Mark. Dazu kommt die fast 100-prozentige Verteuerung der Autobahnvignette. Noch-Finanzminister Edlinger erklärte dies zu einem „unnötigen Belastungspaket“.
Bundespräsident Klestil werde der Regierungsbildung nur zustimmen, wenn ÖVP und FPÖ eine „Demokratie-Erklärung“ unterzeichnen, verlautete gestern Abend aus der Wiener Hofburg. Klestil reagierte damit auf wachsenden Druck aus dem Ausland: Während Belgiens Außenminister Louis Michel Skifahren in Österreich „unmoralisch“ nannte, wurde die Abberufung des belgischen und des israelischen Botschafters in Wien bestätigt. Ralf Leonhard, Patrik Schwarz
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