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Hooligans müssen wohl zu Hause bleiben

■ Während der Fußball-Europameisterschaft droht auch Bremer Hooligans Ausreiseverbot

Die Sicherheits-Pläne der Bundesregierung zur diesjährigen Fußball-Europameisterschaft in Belgien und den Niederlanden stoßen in Bremen auf ein geteiltes Echo. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hatte die Zustimmung des Kabinetts zu Reisebeschränkungen für bekannte Hooligans per Pass-vermerk erreicht.

Aus Fan-Kreisen regt sich erste öffentliche Kritik. So protestierte das Fanmagazin „Pico“ gegen die „tiefschwarze Law- und Order-Politik“ Schilys. Auch Mitarbeiter des Bremer Fanprojektes sehen das Instrument der Reisebeschränkung kritisch: Harald Klingebiel versteht zwar die Problematik, wendet sich aber dagegen, deswegen „rechtsstaatliche Grundsätze zu verbiegen“. Kurzfristige Lösungen kann auch er nicht anbieten. „Da kann man nur mit einer sozialen Politik gegensteuern“, sagt er. „Wir erreichen, dass viele Fans sich vor und nach den Spielen in unseren Räumen am Stadion treffen und diskutieren, statt sich zu prügeln.“ Aber eigentlich sei die Ausstattung der Fanprojekte unzulänglich. Die Bremer Hooligans, zu denen das Fan-Projekt als Einrichtung der akzeptierenden Jugendarbeit Kontakt hält, hielten Schilys Pläne zwar für eine „Sauerei“, blickten aber gelassen in Richtung Euro 2000, so Klingebiel. Die Umsetzung liege in der Hand der Länder, die sicherlich unterschiedlich vorgingen.

Das Bremer Innenressort, das im Ernstfall die Pässe einziehen müsste, lässt indes keinen Zweifel daran, dass die Reiseverbote umgesetzt werden sollen: „Wenn wir damit verhindern können, dass Deutsche wieder Gewalttaten im Ausland begehen, machen wir uns gern ein bisschen mehr Mühe“, sagt Sprecher Hartmut Spiesecke. Rechtliche Probleme sieht man im Ressort nicht. Laut Marita Wessel-Niepels, in der Passabteilung für Rechtsfragen zuständig, enthält bereits das bestehende Passgesetz einen Passus, nach dem Bewerbern der Pass versagt werden kann, wenn sie die innere oder äußere Sicherheit oder „sonstige wichtige Belange der Bundesrepublik“ gefährden. Auch wenn durch Pass-Stempel die Ausreise innerhalb der EU nicht vollkommen verhindert werden könne, biete das Gesetz im Falle der Festnahme zumindest eine strafrechtliche Handhabe: Die Ausreise selbst wäre dann schon eine Straftat, die von der deutschen Justiz verfolgt werden könnte. Den Ländern, so Wessel-Niepels, komme bei der Umsetzung kaum Ermessensspielraum zu.

Entscheidend wird also sein, wer dem Stadtamt von der Bremer Polizei als „bekannter Gewalttäter“ gemeldet wird. Edwin Olchers, in der Wache am Steintor als Hooligan-Kontaktbeamter abgestellt, schätzt den Kreis der betroffenen Personen als sehr klein ein, „ungefähr zehn Leute“. Aber die Pläne der Bundesregierung hätten die Mehrheit der Szene nachdenklich gemacht. Viele würden überlegen, „was da auf sie zukommt“. Dennoch ist Olchers skeptisch, was die Wirkung von Passvermerken angeht. Er favorisiert Meldeauflagen an den Spieltagen, mit denen es in Stuttgart schon gute Erfahrungen gebe. Die Hooligans könnten dann zwar im betreffenden Zeitraum reisen, müssten sich aber an den Spieltagen der deutschen Nationalmannschaft auf einer Bremer Polizeiwache melden – einmal vormittags und einmal während des Spiels.

Mit Aktivitäten der Bremer Hooligan-Szene während der Euro 2000 ist in jedem Fall zu rechnen. Die gastgebenden Holländer gelten als attraktive Box-Gegner und in der Vorrunde trifft das DFB-Team auf die „Erzfeinde“ aus England. Einen zusätzlichen Anreiz könnte die Nähe der Spielorte zu Bremen darstellen: Im Falle eines Gruppensieges würde die deutsche Elf zum Viertelfinale in der Amsterdam-Arena antreten, die von Bremen aus mit dem Auto in dreieinhalb Stunden zu erreichen ist. not

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