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Keine Angst vor Städten ohne Laster

Saubere Luft, wuselnde Fußgänger und Sonntagsstimmung: Andere europäische Großstädte haben gute Erfahrungen mit einem autofreien Tag im Jahr gemacht  ■ Von Gernot Knödler

Was in Hamburg für heftige Debatten sorgt – dass möglichst viele an einem Werktag im Jahr ihr Auto stehen lassen sollen – haben andere europäische Großstädte längst ausprobiert. Paris und Rom, Turin und Marseille, Grenoble und Florenz – sie alle haben Teile ihrer Innenstädte für den PKW-Verkehr gesperrt – und gute Erfahrungen damit gemacht, wie eine Umfrage des französischen Meinungsforschungsinstituts IFOP zum 1999er Aktionstag in Frankreich und Italien belegt.

Den 22. September unter das Motto „In die Stadt – ohne mein Auto“ zu stellen, geht auf eine Initiative der französischen Umweltministerin Dominique Voynet (Grüne) aus dem Jahr 1998 zurück. 35 Provinzstädte sperrten damals einen Teil ihrer zentralen Straßen für den KFZ-Verkehr. 69 Prozent der FranzösInnen fanden das gut. Im Jahr darauf beteiligten sich schon mehr als 150 Städte an dem autofreien Tag, nicht nur in Frankreich, sondern auch in Italien und in der Schweiz.

In der notorisch verstopften Innenstadt von Paris herrschte nach Beobachtungen der taz-Korrespondentin Dorothea Hahn eine „Beschaulichkeit wie sonst nur im Hochsommer oder sonntags morgens“. Lediglich Busse, Taxen, Krankenwagen und andere Berufsfahrer durften in die Innenstadt rollen. Andere Autofahrer wurden von Polizisten höflich gebeten, ihren Wagen doch bitte zu parken.

In den 66 französischen und 92 italienischen Teilnehmer-Kommunen fuhren nach Angaben des europäischen Klimabündnisses zehn Prozent mehr Menschen mit Bussen und Bahnen als sonst. Scharen von Fußgänger- und RadlerInnen wuselten über die autoarmen Straßen. In den vorübergehend verkehrsberuhigten Zonen verringerte sich der Lärm um durchschnittlich mehr als die Hälfte. Die verkehrsbedingte Schadstoffbelastung der Luft ging um 20 bis 50 Prozent zurück.

Kein Wunder, dass der autofreie Tag bei den Städtern gut ankam: 83 Prozent der von IFOP Befragten in Frankreich und 86 Prozent in Italien hielten die Aktion für eine gute Idee. Selbst viele Einzelhändler konnten sich mit dem autofreien Tag anfreunden. Nach Angaben des Klimabündnisses äußerten sich in Italien 56 Prozent von ihnen positiv. In Frankreich waren es allerdings nur 38 Prozent – mit Ausnahme der Stadt La Rochelle, wo 77 Prozent der EinzelhändlerInnen den Tag gut fanden. „Wurden die Einzelhandelsverbände im Vorfeld gut eingebunden, hatte dies einen wesentlichen Einfluss auf die Einschätzung der Einzelhändler“, schreibt das Klimabündnis.

Angesichts dieses Erfolges ist in diesem Jahr die europäische Kommission auf den Zug aufgesprungen. Mit einer Konferenz in Brüssel haben die EU-Umweltkommissarin Margot Wallström und die zuständigen MinisterInnen Frankreichs, Italiens und Belgiens ges-tern zu einem ersten europaweiten autofreien Tag aufgerufen. Der Deutsche Städtetag sowie der Städte- und Gemeindebund unterstützen die Idee ebenfalls.

Kommunen oder Regionen, die am ersten europaweiten autofreien Tag teilnehmen wollen, müssen eine entsprechende Charta unterzeichnen. Damit legen sie sich auf den 22. September fest; sie müssen Straßen in der Innenstadt sperren und wenigstens für diesen einen Tag ihr Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln verbessern. Will Hamburg mitmachen, wird die rot-grüne Koalition im Rathaus also den Mitte der Woche verabschiedeten Kompromissantrag der GAL präzisieren müssen.

Es sollte ihr leicht fallen: Nach einer repräsentativen Umfrage, die vom Hamburger Abendblatt in Auftrag gegeben wurde, sind 70 Prozent der wahlberechtigten HamburgerInnen dafür, einmal im Jahr einen freiwilligen autofreien Tag einzuführen. 62 Prozent behaupten, sie würden sich „sicher“ beteiligen. Einen verordneten Tag befürworten 40 Prozent, 50 Prozent sind dagegen, zehn Prozent ist es egal.

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