: Fördern im Männerland
■ Carmelita Görg ist die erste weibliche Professorin am Fachbereich Elektrotechnik an der Universität / Jetzt will sie mit neuen Ideen den Studentinnen-Anteil erhöhen
Am Schüler-Infotag an der Bremer Uni kamen nur sechs. In ihrer Vorlesung sitzt keine – und unter 19 Professoren ist sie die einzige: Carmelita Görg ist Frau im Männerland – und seit November die einzige weibliche Professorin im männerdominierten Fachbereich Elektrotechnik. Der Studentinnen-Anteil liegt hier bei schlappen 5,4 Prozent, aber bald weitaus höher – wenn es nach Carmelita Görg geht. „Sonst liegt ein großer Prozentsatz an Ideen und Potenzial einfach brach“, bilanziert Görg – und hat deshalb neue Ideen ausgeheckt: „Wer soll es hier sonst tun, wenn nicht ich?“
In der Tat gibt sich der Fachbereich extrem vorsichtig fortschrittlich. Mehr Frauen wären schon schön, heißt es im Kollegium. Da müsse mehr passieren. Aber neue Wege wie zum Beispiel in Bielefeld hält man in Bremen derzeit nicht für sinnvoll, blockt der Bremer Fachbereichs-Dekan Jürgen Gukowski: Dort nämlich hat die Fachhochschule aus der Not heraus einen neuen Studiengang „Energieberatung und -marketing“ speziell für Frauen installiert – „weil viele Frauen sich einfach nicht für rein technik-fixierte Studiengänge interessieren“, erklärt der Bielefelder Dekan Prof. Schumacher. Jetzt lockt eine neue Mischung „aus Technik, Beratung und Marketing“ die Frauen ins Elektrotechnik-Feld – und das ausdrücklich „for women only“, um die „soziale Isolation zu sprengen“ und so das „Selbstbewusstsein zu stärken.“
Doch über solche „Extra-Biotope“ wurde in Bremen bislang nicht diskutiert: „So etwas wollen wir im Moment nicht“, sagt sein Bremer Dekan-Kollege Gukowski. „Man schafft ja auch nichts extra nur für Männer.“ Für den Dekan steht deshalb erst mal felsenfest: Man werde weiter auf Werbung setzen und Frauen gezielt in Schulen und durch Schnupperpraktika ansprechen. Dabei könnte die neue Professorin durchaus ein „gutes Aushängeschild sein, um Mädchen zu motivieren“, sagt der Dekan, „dann kann man den Abiturientinnen ja anbieten: Geht doch mal zu Frau Görg.“
Ein erster Schritt, findet die – und will über neue reine Studienangebote für Frauen erst mal ebenso „kritisch nachdenken. Ich werde jede Menge Material sammeln und mich dann in Ruhe mit dem Thema auseinandersetzen“, sagt sie vorsichtig – und will in der Zwischenzeit zunächst einmal die Werbung aufmöbeln. Ihr erstes Projekt: Eine eigene Biografie-Sammlung zum Verteilen über Elektrotechnik-Ingenieurinnen, die gute Jobs gefunden haben „bei Mannesmann, Hewlett Packard oder Ericcson.“
Neue Vorbilder sollen das sein für die angehenden Ingenieu-rinnen, die im Elektrotechniker immer noch den Mann mit dem Lötkolben in der Hand sehen. „Dieses Image ist aber längst verstaubt“, sagt Carmelita Görg, die sich als Spezialistin für „Kommunikationsnetze“ intensiv mit der Anwendung im Mobilfunkbereich beschäftigt – und deshalb weiß, was die Schülerinnen „oftmals schlicht nicht wissen“: Dass Elektroingenieure zum Beispiel durch den Boom in der Informations- und Telekommunikationsbranche enorm gefragt sind in diesen innovativen Zukunftstechnologien.“
Aufklären will sie darüber nun erstmal gründlich – über Berufsmöglichkeiten in Forschung, Entwicklung, Vertrieb und Marketing – durch Frauen, die es wie sie geschafft haben, den technischen Studienweg zu gehen. Und damit das Studium wenigstens etwas leichter fällt, will Carmelita Görg zusätzlich „Patenschaften“ einführen. Jede Studentin bekommt dann aus den höheren Semestern oder aus den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen eine Patin zur Seite gestellt, um so im technik- und männerdominierten Umfeld zu bestehen.
„Frauen können das Studium genauso gut“, ist sich die neue Professorin sicher – auch wenn sie die Studentinnen oftmals als „vorsichtiger“ erlebt. „Möglicherweise kann man ja einige Projekte nur unter Frauen machen“, sagt Carmelita Görg. Sie selbst hatte keine Skrupel vor Programmiersprachen, Betriebssystemen und Kommunikationsnetzen.
Als Tochter eines Physikers (“ich wurde wohl indirekt gefördert“) und ehemalige Mädchenschulabsolventin will sie nun andere Frauen fördern. Ausgang der Mission im weiterhin ausdrücklichen Männerland: offen, aber „hoffentlich positiv“. kat
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen