: Horrortrip bei Imerys
Der europäische Baustoff- und Metallkonzern setzt in den USA auf drastische Methoden, um die Gewerkschaft aus seinen Werken fern zu halten ■ Aus Washington Peter Tautfest
Keith Fulbright fand sich von einem Tag auf den anderen von Meistern, Abteilungsleitern und Aufsehern verfolgt. Wohin er auch ging – und als Wartungsmechaniker kam er im Betrieb viel her- um –, folgte man ihm. Blieb er bei Kollegen stehen, stellten sie sich dazu. Schließlich bildete sich eine Gruppe von Arbeitern, die ihm nachstellte, in Gängen auflauerte und Prügel androhte. Warum das alles? Keith hatte eine Karte unterschrieben, auf der sein Arbeitgeber aufgefordert wurde, PACE als die Gewerkschaft der Belegschaft anzuerkennen – und ein Kollege hatte das der Firmenleitung gemeldet. PACE steht für Paper, Allied-Industrial, Chemical and Energy Workers International Union, das US-Gegenstück zur deutschen IG Bergbau, Chemie, Energie.
Die Firmenleitung reagierte umgehend und streute das Gerücht, dass gewerkschaftliche Organisierung zur Senkung der Löhne, ja zur Schließung des Betriebs führen könne. Das brachte auch Kollegen gegen die Gewerkschafter auf. Überörtliche Bedeutung hat die Geschichte, weil ein multinationaler Konzern involviert ist, der Niederlassungen in Frankreich, Belgien, Kanada und England hat – auch Bertelsmann ist in diesem Kapitalgespinst vertreten.
Keith Fulbright selbst hatte keine Gewerkschaftserfahrung, sein Vater aber war alter Gewerkschafter. Die Notwendigkeit, auch in dem winzigen Nest Sylacauga, Alabama, in Amerikas weitgehend gewerkschaftsfreien Süden einen Betrieb zu organisieren, hatte sich durch eine Megafusion im vergangenen Sommer ergeben. Damals schlossen sich der in Frankreich beheimatete Baustoffhersteller Imetal und die in England ansässige English China Clays (ECC), die 52 Prozent des Weltmarkts für Industriekeramik hat, zur Imerys zusammen. Imerys, deren Hauptsitz in Paris liegt, hat weltweit rund 10.000 Angestellte, knapp die Hälfte in den USA. Durch den Merger kamen auch zwei Betriebe in der Baumwollspinnereistadt Sylacauga unter ein Dach. Der kleinere war seit 1975 gewerkschaftlich organisiert, der größere nicht – als ECC das Werk 1994 von einem amerikanischen Eigentümer übernahm, hatte die englische Firmenleitung alle Gewerkschafter entlassen.
Die Geschäftsleitung des ehemaligen ECC-Betriebs (jetzt Imerys) informierte PACE, dass es jetzt nur noch eine Minderheit der Arbeiter beider Betriebe vertrete und somit nicht mehr als Tarifpartner gelte. Seitdem seien alle Versuche, im bisher nicht organisierten Werk eine Gewerkschaft zu bilden, durch Einschüchterung und Vergeltung behindert worden, sagt Joe Drexler vom PACE-Büro in Nashville, Tennesseee.
PACE hat Klage vor dem National Labor Relations Board erhoben und die Einschüchterungstaktiken dokumentiert. Beispielsweise soll sich innerhalb des Betriebs eine Gruppe aus besser bezahlten Arbeitern gebildet haben, das „A-Team“, das T-Shirts mit der Aufschrift „Schlägerkolonne“ trägt. Außerdem bekam PACE ein Handbuch für Abteilungsleiter zugespielt, das erklärt, wie man gewerkschaftliche Aktivitäten erkennt („wenn Arbeiter, die nichts miteinander zu tun haben, herumstehen und reden“) oder wie man Gewerkschaftsbildung im Keim erstickt („Arbeitern erklären, dass sie bei Streik entlassen werden können“). Imerys-Anwalt Frank Parker bestätigte der taz die Existenz dieses Buchs – und auch dass es schon zu Regelverletzungen gekommen sein könnte.
Allerdings warf er der Gewerkschaft vor, dass sie aus Angst, zu verlieren, eine Abstimmung unter den Kollegen verhindern wolle. Tatsächlich hat Imerys – und nicht die Gewerkschaft – jetzt einen Termin anberaumt, an dem die Belegschaft wählen soll, ob sie gewerkschaftlich vertreten werden will. PACE macht allerdings geltend, das Betriebsklima sei so vergiftet, dass von freien Gewerkschaftswahlen keine Rede sein könne.
PACE-Vertreter glauben, dass die Versuche, gewerkschaftliche Betätigung bei internationalen Firmen mit Werken in den USA zu verhindern, der erste Schritt sind, um auch die europäischen Gewerkschaften zu schwächen. „Amerika könnte dann das Mexiko Europas werden“, so Drexler. Eine Chance sieht er nur, wenn auch die Gewerkschaften international zusammenarbeiten und sich so ebenfalls globalisieren.
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