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Eine ganze Kultur-Szene tritt in Streik

■ Randale im Rathaus: Bei der Anstoss-Debatte im Rathaus kündigte Katrin Rabus im Auftrag der Kulturschaffenden der Kulturverwaltung ab sofort jede Kooperationsbereitschaft auf

Es ist workshop – und keiner geht hin. Genau das ist das Ergebnis nach zwei Jahren Missmanagement just derjenigen, deren Lieblingsvokabel „Management“ lautet. Im Zuge der McKinsey-Debatte wurde ein knallharter Deal erstritten: Die Kultur lässt marktwirtschaftliche Umstrukturierungen über sich ergehen. Als Gegenleistung garantiert ihr die Politik Bewahrung der Vielfalt und Planungssicherheit. Durch den aktuellen Senatsbeschluss (siehe unten) wurde dieses Versprechen jetzt gebrochen. Braucht aber nicht einer glauben, dass sich irgendein Politiker dafür entschuldigt hätte. Kultursenator Bernt Schulte (CDU): „Es ist halt so.“ Statt Planungssicherheit müssen nun sämtliche Bremer Kultureinrichtungen sämtlichen Mitarbeitern mit Kündigung drohen. Die blauen Briefe aus der Behörde mit der Kündigung der Bestandsgarantie dürften die nächsten Tage eintrudeln. Fatale Folge: Die Guten werden abhauen. So was heißt in Bremer Neusprech „Optimierung“.

Alles Fakten, die jetzt Folgen haben: Während Aberhunderte von Kulturschaffenden der Existenzsicherheit beraubt werden, verteilten am Freitagabend hostessige Girlies vor der „Anstoss“-Debatte im Rathaus adrette Broschüren der Kulturabwicklungsbehörde „kultur.management.bremen“ (k.m.b.), finanziert durch eine Anzeige der Bremer Landesbank (Eine Stimme: „Die haben ihren Ruf als Kulturföderer damit auch gründlich ruiniert.“). Dort verkündet die neu installierte Hierarchieebene, dass es darum gehe „Hierarchien abzubauen“. Mit ihrem perfekten Design um ein Nichts von Inhalt steht die Broschüre für ein Phänomen, das Architekt Rabus empört „Marmorisierung der Stadt“ nennt, in Anspielung auf neue ShoppingMall-Projekte.

Die Broschüre stellt die Mannschaft vor, die für die so genannte Restrukturierung der Kulturlandschaft zuständig sein wird. Es werden BWLer, Tourismusfachleute und kaufmännische Angestellte sein, die mit erfahrenen Theater- und Museumsleuten „Entwicklungspläne“ auskämpfen, als handele es sich bei der Bremer Kulturszene um hilflose Unterentwickelte irgendeines Dritte-Welt-Landes.

Tut es nicht: Das war die Kernaussage des Eingangsreferats von Katrin Rabus, Galeristin und Mitglied der Initiative „Anstoss“, die seit Jahren streitet, um zu retten, was zu retten ist. „Die Einrichtungen SIND modernisiert, sie SIND ideenreich. Dazu braucht es keine Behörde. Jahrelange Sparorgien haben das alles längst bewirkt. Die Kultur wird gekappt; und zwar ohne Grund; denn bei 32 Millionen Mark für 300 Meter Autobahn-Stelzen gibt es den Spardruck auf einmal nicht.“ Dann erklärt sie im Namen der Bremer Kulturinstitutionen den Verhandlungs-Streik: „Unter den jetzigen Bedingungen können wir uns an der Diskussion NICHT mehr beteiligen.“ Die Workshops, mit denen die k.m.b. Bremens Künstler erziehen will, bleiben leer. „Geld geht weg vom Produkt, es geht in Strukturen, die den Mangel mit Beton zementieren. Unten wird gestrichen, oben aufgepumpt.“ Ihre radikale Forderung an den Senat: „Machen Sie solche Dinge rückgängig. Lösen Sie die neuen Gesellschaften auf.“

Daraufhin spielte Kultursenator Bernt Schulte (CDU) in der Debatte Schmerzensmann, ecce homo, wie ein Laiendarsteller bei den Passions-Spielen in Oberammergau. Die Kürzungen, die WILL er gar nicht, er MACHT sie ja nur: allerdings nicht ohne dass andere Händchen halten: „Ich will's allein nicht machen ... Was an dieser Senatsvorlage für mich gut ist ... ist, dass der Senat das zur Kenntnis nimmt.“ O-Ton eines Verantwortungsträgers. Schultes Schuld: Auch an diesem Abend und in dieser Diskussionsveranstaltung versucht er die Kulturszene einzulullen, ein paar Töpfe hier, ein paar da, aber nur mit vielen Vielleichts. Doch seine Beschwichtigungspolitik bleibt dieses Mal völlig ohne Erfolg.

„Unverschämtheit“, „Unverfrorenheit“, „Unehrlichkeit“, „Verlogenheit“ nannten dies das Ehepaar Rabus, Renate Heitmann von der Shakespeare-Company, Banker Rempe (ein redlicher, integrer Mann, der einst beim Bremer Theater lieber ging als sich instrumentalisieren zu lassen) und viele reputierte Bürger dieser Stadt. Heitmann: „Wie kann ich unter diesen Umständen ein Ensemble zusammenhalten.“ Rempe: „Sie kündigen der Kultur den Vertrauensschutz. Wir haben ihnen das Vertrauen schon längst gekündigt.“ Architekt Rabus: „Die Politik dieser Stadt ist um zwei Generationen zurück. Andernorts wird in Software inves- tiert, doch hier zählt nur Hardware. WIR WOLLEN EINE ANDERE STADT.“ Es ist Revolte – und alle gehen sie hin.

Wie sehr es sich die Bremer Politik mit breiten Teilen der Bürgerschaft (der echten, nicht der falschen im Haus gegenüber) verscherzt hat, wird klar bei Gesprächen beim Glas Wein hinterher. Da höhnt Verachtung pur. „Scherf macht auf kultiviert, versperrt mir in jedem Klassikkonzert auf seinem Umsonst-Platz in der ersten Reihe die Sicht. In Wahrheit ist der Mann brutal.“ – „Der Banause Perschau diktiert die Kultur. Und schickt Jens Eckhoff vor als Rambo.“ – „Dessen kultureller Horizont bei TUS Walle endet.“ – „Kein Wunder, mit seinem dicken Hintern hat er auf keinem Theaterstuhl Platz.“

Auch Schultes Verwaltungsleute Strömer und Heller von k.m.b. machen neuerdings auf Oberammer-gau mit der Glauben-Sie-wenn-es-nach-mir-ginge-Rhetorik. Die verbalen Waffen von einst hat man ihnen erfolgreich abgewöhnt. Kaum mehr Gerede über Synergie, Effizienz, Controlling, Zertifizierung. Ein kluger Mann, Albrecht Göschel aus Berlin, ermunterte denn auch die Kulturszene in seinem Eingangsvortrag, die Diktatur des ökonomischen Arguments zu brechen. Kultur ist mehr als Standortfaktor.

„Es ist frivol: Genau dieselben Leute, die Solidarität tränendrüsig einklagen, liquidieren andererseits alle Bereiche in Bildung, Kultur, Sozialem, welche sich dem Nutzenkalkül nicht beugen.“

Barbara Kern

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