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Transrapidnun transzendent

Den zahlreichen Grabreden aus zwanzig Jahren auf die Transrapidstrecke Hamburg – Berlin wurde am Samstag in Frankfurt eine vorläufig letzte hinzugefügt. Letzte deshalb, weil sie diesmal von allen Beteiligten, von Bund, Bahn und Industrie gemeinsam gehalten wurde: Bei „unterschiedlichen Auffassungen über die Gründe“ einigten sich Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt (SPD), Bahnchef Hartmut Mehdorn und Vertreter von ThyssenKrupp, Siemens und Adtranz schriftlich, dass das milliardenschwere Projekt nicht realisiert wird.

Die so knapp zusammengefassten „unterschiedlichen Auffassungen“ beziehen sich vor allem auf die Wirtschaftlichkeit des Projektes: Mindestens 12 Milliarden wurden zuletzt für die 292 Kilometer lange Strecke veranschlagt, runde sechs Miliarden Mark mehr, als der Bund bereit war zu zahlen. Das Alarmsignal für die Mehrkosten kam 1996 vom Bundesrechnungshof. Danach rissen die Spekulationen über die Rentabilität nicht mehr ab. „Dass man für 20 Minuten Zeitersparnis zwölf Milliarden Mark ausgeben muss, das will uns nicht so richtig in den Kopf“, hatte Hartmut Mehdorn Mitte Januar erklärt.

Der Versuch von Bahn und Industrie im vergangenen Jahr, die Kosten durch einen einspurigen Bau zu begrenzen, scheiterte nicht zuletzt am zweiten Grund: den Fahrgastzahlen. Mit 8,4 Millionen Fahrgästen hätte sich die Strecke gerechnet, nicht aber mit den 2,2 Millionen, die letzlich gezählt wurden. Diese hätten dann auch noch alle auf den teuren Magnetgleitzug umsteigen müssen. Die Idee des letzten Bundesverkehrsministers Franz Müntefering für eine abgespeckte Verbindung hätte noch weniger Reisende gelockt, die Wirtschaftlichkeitsrechnung wäre noch schlechter ausgefallen. Nicht zuletzt brachten Umweltschützer das Argument ein, wichtige Biotope würden durch den Bau zerstört. Der Umweltverband BUND nannte die jetzige Entscheidung entsprechend ein „Signal für eine zukunftsorientierte Verkehrspolitik“.

Der jetzige Abschied von der Strecke war nicht billig. Die Planungen kosteten bislang 340 Millionen Mark – fast ebenso viel wie laut Bahnchef Hartmut Mehdorn ein Ausbau der bestehenden Schienenverbindung kosten würde. Insgesamt flossen bislang fast drei Milliarden Mark in das Transrapid-Vorhaben, mehr als 2,5 Milliarden Mark in die Entwicklung und die Versuchsstrecke im Emsland.

Zumindest letztere Investitionen waren nicht umsonst – sollte der Transrapid ins Ausland verkauft oder doch Strecken in Deutschland gebaut werden, wie sich die Beteiligten in der Vereinbarung versprochen hatten.

An diesem Strohhalm müssen sich nun die Beschäftigten der Industrieunternehmen festhalten. Der Betriebsratsvorsitzende von Thyssen Transrapid, Hendrik Jordan, sprach von einem „rabenschwarzen Tag für den Industriestandort Deutschland“. mra

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