: Auf den Strich gezwungen
■ Prozess wegen Menschenhandel, Zuhälterei, Vergewaltigung
Reiseziel: ein besseres Leben. Reisebegleitung: Hoffnung. Ihr Ziel haben die drei jungen Frauen nie erreicht, denn ihre Fahrkarten von Polen, der Ukraine und Bulgarien nach Hamburg waren One-Way-Tickets ins Elend. Statt wie versprochen in der Gastronomie, als Putzfrau oder Haushälterin fanden sie sich als Prostituierte in Hamburger und Lübecker Bordellen wieder. Die Zuhälter verlangten von ihnen, mit ihrem Körper abzuarbeiten, was die Reise in den Westen angeblich gekostet hatte. Wer sich weigerte, wurde geschlagen, vergewaltigt, bedroht. Seit gestern müssen sich die mutmaßlichen Täter dafür vor dem Hamburger Landgericht verantworten.
Die zwei Männer haben die Vorwürfe bei einer richterlichen Vernehmung bestritten. „Das muss eine Verwechslung sein“, soll der 30-jährige Angeklagte gesagt haben, der 37-Jährige will die Frauen nur flüchtig oder gar nicht kennen. Eigentlich sollte gegen drei Männer verhandelt werden, aber ein Beschuldigter ist im Krankenhaus, das Verfahren wird abgetrennt.
Der Ältere der Angeklagten wurde schon 1998 vom Amtsgericht wegen Menschenhandels und Zuhälterei verurteilt. Er hatte gestanden, eine Polin auf den Straßenstrich in St. Georg geschickt zu haben. Dem Gericht erschien er damals „geläutert“, es setzte die Freiheitsstrafe zur Bewährung aus.
Die Anwälte versuchten es gestern mit Formalitäten und zweifelten die Zuständigkeit dieser speziellen Strafkammer des Landgerichtes an. Bis das Gericht am Freitag über den Antrag entscheidet, wollen die Angeklagten keine Aussagen machen.
Von den drei Frauen, die bei einer Polizeirazzia befreit worden waren, ist eine trotz Zeugenschutzprogramm verschwunden, eine andere ist im Ausland und will zum Prozess nicht kommen. Die dritte Frau, eine Bulgarin, will aussagen und tritt als Nebenklägerin auf.
Ihre Anwältin hat den Ausschluss der Öffentlichkeit und der Angeklagten während ihrer Aussage beantragt: Die Bulgarin will nicht, dass die Angeklagten erfahren, wie sie jetzt aussieht. Sie hat Angst vor Rache – nicht nur gegen sich selbst: Ihre in Bulgarien lebende Mutter sei bereits mehrfach bedroht worden. Sandra Wilsdorf
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