Die Fusionen auf dem Pharmamarkt gehen unvermindert weiter
: Ein betriebswirtschaftliches Experiment

Wieder haben zwei Pharmakonzerne fusioniert. Die Namen spielen eigentlich schon keine Rolle mehr, es sind diesmal Viagra-Hersteller Pfizer und Warner Lambert. Es werden Aktien getauscht im Wert von 180 Milliarden Mark. Der neue Konzern wird die Nummer zwei in der Branche, wie auch die meisten seiner Mitkonkurrenten in der Hitliste der größten Arzneimittelhersteller aus Fusionen hervorgegangen sind.

Den Kunden bringt die Fusionitis zwischen den Großen nichts. Denn die Fusionskandidaten sind auf ihren jeweiligen Gebieten schon mit milliardenschweren Forschungsetats ausgerüstet. Klinische Tests lassen sich durch Geld nicht beschleunigen – zumindest nicht legal. Ob Anti-Depressions-Pille, Anti-Fett- oder Pro-Potenz-Tablette, sie würden den Markt auch so erobern und werden mit den neuen, immer größeren Marketingabteilungen höchstens schneller und effizienter weltweit in die Arztpraxen und Apotheken gepusht. Die Preise fallen wohl auch nicht, wenn immer weniger Konzerne auf immer mehr Sektoren des zersplitterten Medikamentenmarktes das Sagen haben.

Es geht auch nicht um Kunden – der eigene lukrative Job als Chef muss gesichert werden. Angesichts der aufgeblähten Aktienkurse müssen die Umsätze wenigstens einigermaßen mithalten, um die Börse nicht nervös zu machen. Utopische Wachstumsziele werden deshalb vorgegeben, die fusionierte Pfizer zum Beispiel will mit 25 Prozent im Jahr wachsen. Solches Wachstum gab es zwar schon in der Industriegeschichte, durchhalten ließ es sich aber selbst in Boombranchen nur wenige Jahre.

Früher wurden dann die Ziele zurückgestutzt, im Notfall musste ein Konzernchef seinen Hut nehmen. Heutzutage wird fusioniert – kostet ja im Prinzip nix: Aktien sind die neue Fusionswährung; man muss sie nur noch gegeneinander tauschen und nicht mehr wie früher teuer verzinste Kredite aufnehmen, um ein anderes Unternehmen zu erwerben. Mit so einem Zusammenschluss wächst der Umsatz auf dem Papier rasant, der Konzernchef steht als entschlossener Macher da, die Anleger entwicklen meist „Kursfantasie“. Und die Mehrheit der Aktieneigner trauert Namen wie Höchst, Mannesmann oder Warner Lambert nicht nach. Schließlich ist so ein Fondsmanager ein nüchterner Anleger und kein Nachkömmling einer Gründerfamilie oder langjähriger Angestellter.

Deshalb wird das Fusionieren auch munter weitergehen, und nicht nur in der Pharmabranche. Es ist ja auch ein betriebswirtschaftliches Experiment: In einigen Jahren und manche Fusion später wird man wissen, bis zu welcher Konzerngröße die angeblichen positiven Synergieeffekte die Kosten überwiegen, die durch die zunehmende Schwerfälligkeit der weltweiten Giganten entstehen. Reiner Metzger