: Industriedeal im Internet
Erstmals soll eine riesige Fabrikanlage zur Ölverarbeitung über das World Wide Web versteigert werden. Veba hofft auf zusätzliche Interessenten ■ Von Christian Krämer
Berlin (taz) – Es ist ein Novum in der Geschichte des Internets: Erstmals bietet die Veba Oel AG eine riesige Industrieanlage – die Kohleöl-Anlage Bottrop (KAB) – beim weltweit größten Online-Auktionshaus eBay zur Versteigerung an – zumindest in Einzelteilen.
Damit kommt der Handel zwischen professionellen Geschäftskunden einen großen Schritt voran. Auf sehr einfache Art und Weise würden nun im Internet die Einzelteile einer großen Industrieanlage veräußert, teilte das Online-Versteigerungsunternehmen mit. „Die Geschäfte werden zwar nicht neu erfunden“, sagt Projektleiter Andreas Eleftheriadis, „aber durch die Vorzüge des Internets optimiert.“ Der weltweite Computerverbund spreche ein breites Spektrum an Interessenten an. Zusätzlich seien die Provisionsgebühren außerordentlich niedrig. eBay kassiert im Durchschnitt 2,6 Prozent des Kaufpreises. „Allerdings nur, wenn der Deal auch zustande kommt“, erklärt Eleftheriadis. „Das ist ein sehr geringer Betrag im Vergleich zu den sonst branchenüblichen Provisionsgebühren von Unternehmensberatungen in Höhe von 15 bis 20 Prozent.“
eBay wird auf seiner Homepage www.ebaypro.de vorerst rund 150 Gegenstände aus der Anlage anbieten – unter anderem Pumpen, Kräne, Reaktoren, Behälter, Elektromotoren und Kreislaufgaskühler. Mit dem Ersatzteillager, das in den nächsten Tagen das Angebot komplettieren wird, kommt man wahrscheinlich auf über 1.000 Kernkomponenten.
Alle Mindestangebote zusammengerechnet belaufen sich laut Eleftheriadis auf etwa 25 Millionen Mark. „Allerdings wird es nicht einfach sein, für die Angebote Interessenten zu finden“, sagt der Internet-Auktionator: „Es handelt sich schließlich nicht um Massengüter.“
Trotzdem hofft das Unternehmen, potenzielle Kunden in verwandten Branchen des erdölverarbeitenden Gewerbes und in Gebrauchtmaschinenhändlern zu finden.
Auf der Homepage kann man auch Fotos der Anlage sowie der Einzelteile begutachten und auf Wunsch einen Besichtigungstermin in Bottrop verabreden.
Die Bottroper Anlage, die zuletzt zum Kunststoff-Recycling genutzt wurde, stellte Ende 1999 seinen Betrieb ein. Der Veba-Konzern teilte mit, dass die Anlage zwar ökologisch vorbildlich sei, aber zu teuer produziere.
Ursprünglich war die Anlage 1981 als Reaktion auf die zweite Ölkrise erbaut worden. Sie diente als Versuchsanlage zur Kohleverflüssigung, die Kohle in synthetisches Rohöl umwandelte. Aus dem synthetischen Rohöl konnten daraufhin in Raffenerien Benzin und andere Mineralölprodukte gewonnen werden. „Die Anlage wurde nicht stillgelegt, weil sie marode ist“, sagt Veba-Sprecher Jens Schreiber. Vielmehr sei das Verfahren der Ölverflüssigung bei den heutigen Rohölpreisen nicht mehr zu halten. „Außerdem sind Versorgungsengpässe kein Thema mehr.“
Veba zielt mit der Online-Versteigerung darauf, die Anlage in ihren Einzelteilen kommerziell zu veräußern, anstatt diese zu verschrotten. „Wie möchten die Einzelteile wieder in den ökonomischen Kreislauf zurückführen“, erklärt Schreiber.
Natürlich richte man sich mit diesem Angebot an Geschäftskunden, die auch über persönliche Kontakte zu erreichen gewesen wären. Allerdings biete eBay die Möglichkeit, viel mehr Interessenten gleichzeitig zu informieren. „Durch die Interaktivität des Internets läuft der Verkauf schnell, effizient und bequem ab“, erklärte der Veba-Sprecher. Das Versteigerungsverfahren läuft wie alle Versteigerungen bei eBay ab: Die Interessenten geben jeweils ein maximales Gebot ab, das über dem Mindestgebot liegen muss.
Am Schluss bleibt derjenige Käufer übrig, der das höchste Gebot abgegeben hat. Er muss dann aber nur wenig mehr zahlen als derjenige Bieter, der den zweithöchsten Betrag zahlen wollte. Das ursprünglich abgegebene Maximalgebot stellt nur eine Obergrenze dar.
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