: U-Bahn-Fahrer völlig aus dem Häuschen
■ Die BVG möchte die U-Bahnen zukünftig ohne Fahrer betreiben. Als Erste soll die Linie 5 an der Reihe sein, auf der bereits ein Testbetrieb läuft. „Erfolgreich“, heißt es. Die Finanzierung des Mammutprojekts ist aber ungewiss
Die BVG hat Großes vor: Künftig sollen die Berliner U-Bahnen gänzlich ohne Fahrer betrieben werden. Als erste vollautomatische Linie könnte die U 5 bereits in einigen Jahren den Betrieb aufnehmen, zeigte sich gestern BVG-Vorstandsmitglied Hans-Heino Dubenkropp optimistisch. Immerhin hat die BVG geschafft, was Deutscher Bahn AG und Bundesregierung in Sachen Transrapid nicht geglückt war: eine Referenzstrecke für eine neue Verkehrstechnologie zu installieren.
Auf der U 5, zwischen den Bahnhöfen Friedrichsfelde und Biesdorf-Süd, rollen sie bereits – die STARs des Berliner Untergrundes. STAR bedeutet System-Technologie für den automatisierten Regelbetrieb. Rund 200 STAR-Fahrten, allerdings noch ohne Fahrgäste, hat die BVG im Rahmen eines Pilotprojekts bereits durchgeführt. Ergebnis: „Die Züge halten punktgenau, auch das Fahrverhalten ist einwandfrei“, so BVG-Chef Rüdiger vorm Walde.
Die Probe aufs Exempel folgte gestern: Erstmals durften sich Menschen in den automatisch fahrenden Zug wagen. Allerdings wurden die Journalisten auf der Probefahrt ein wenig durchgeschaukelt. „Wir wollten Ihnen demonstrieren, dass das System sofort auf ein rotes Signal reagieren kann“, verkündete der Reisebegleiter. Von mitunter angetrunkenen U-Bahn-Fahrern könne das nicht behauptet werden, bemerkte ein Teilnehmer. Dann glitt der Zug sanft an einem Friedhof vorbei und schwebte in den Biesdorfer Bahnhof ein. Dort funktionierte sogar die Anzeigentafel: „BVG, Adtranz und Siemens begrüßen Sie auf der Erprobungsanlage des Forschungsvorhabens STAR.“
Das Projekt lassen sich die Beteiligten immerhin 35 Millionen Mark kosten. Neben Bund, Land und der Industrie ist auch die BVG mit 3,3 Millionen Mark dabei. Für die BVG geht es auch ums Image: Das Unternehmen, das sonst Schwierigkeiten mit dem eigenen Infosystem hat und eines der ältesten U-Bahn-Netze der Welt betreibt, möchte mit STAR seine technologische Kompetenz beweisen. Weltweit einmalig sei es, einen automatischen Betrieb „unter rollendem Rad einzuführen“, sagte vorm Walde. Zwar gebe es schon automatisch betriebene Strecken in den USA, Ostasien und Frankreich – doch das waren immer neu gebaute Linien.
Mit dem automatischen Betrieb will die BVG den öffentlichen Nahverkehr attraktiver machen. Damit können die Taktzeiten hochflexibel und rasch der Nachfrage angepasst werden, unabhängig von den heutigen Dienstplänen der Fahrer. Diese würden aber nicht überflüssig – sie könnten stattdessen die Fahrgäste auf den Bahnhöfen betreuen und für subjektive Sicherheit sorgen. Die Vision: „Wenn man auf den Bahnhof kommt, steht immer schon ein Zug da“, schwärmte ein Planer.
Ob es so weit aber kommt – das steht noch in den Sternen. Schließlich würde die Einführung des automatischen Betriebs mehr als ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen und allein bei der U 5 rund 200 bis 300 Millionen Mark kosten. Die chronisch defizitär wirtschaftende BVG hat dafür jedoch kein Geld. „Das ist eine politische Entscheidung, da müssen dann der Bund und das Land ran“, so eine BVG-Sprecherin. Richard Rother
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