: Späte Verjährung bleibt
Karlsruhe bestätigt Neuregelung der Verjährung bei sexuellen Gewalttaten
Freiburg (taz) – Die Neuregelung der Verjährung bei sexuellen Gewalttaten verstößt nicht gegen das Rückwirkungsverbot des Grundgesetzes. Dies entschied in einem gestern bekannt gemachten Beschluss das Bundesverfassungsgericht. Es lehnte damit die Verfassungsbeschwerde eines Mannes ab, der in den 80er-Jahren eine junge Verwandte mehrfach sexuell missbraucht hatte und im Vorjahr zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Der Mann wandte sich gegen die Anwendung einer neuen Verjährungsregelung aus dem Jahr 1994. Damals hatte der Bundestag beschlossen, dass Verjährungsfristen bei Sexualtaten gegen Minderjährige nicht schon mit Abschluss der Tat zu laufen beginnen.
Dies hatte bis dahin nämlich zur Folge, dass sich Missbrauchstäter gerade bei Taten in der eigenen Familie relativ sicher fühlen konnten. War etwa das Opfer zum Tatzeitpunkt acht Jahre alt, war die Tat bereits verjährt, wenn sich das Kind langsam aus der familiären Situation lösen konnte.
Viele Betroffene können auch erst lange nach der Tat – oft erst nach einer Therapie – über das Erlebte sprechen. Seit der Neuregelung beginnt die zehnjährige Verjährung für sexuellen Missbrauch erst am 18. Geburtstag des einst missbrauchten Kindes. Die Chance, dass sexueller Missbrauch strafrechtlich verfolgt werden kann, ist damit deutlich angestiegen.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde hatte der Mann nun gerügt, dass diese Verjährungsregelung erst eingeführt wurde, nachdem er das Mädchen missbraucht hatte. Nach dem Grundgesetz sei jedoch die Rückwirkung von Strafgesetzen ausgeschlossen. Das Bundesverfassungsgericht stellte nun aber klar, dass der Kindesmissbrauch bereits zum Zeitpunkt der Tat strafbar war, es sich also nicht um eine Rückwirkung von Strafgesetzen handele. Die Veränderung von Verjährungsregelungen verstoße dagegen nicht gegen das Grundgesetz.
Überraschend kommt diese Entscheidung nicht. Karlsruhe hatte es auch akzeptiert, als 1979 die Verjährung für Mord ganz gestrichen wurde, um NS-Täter weiter bestrafen zu können. (Az.: 2 BvR 104/2000) Christian Rath
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