: Blair verliert noch eine Regierung
Britische Regierungsprobleme ohne Ende: Nach der Pleite in Nordirland tritt der Labour-Premierminister von Wales zurück – ein ungeliebter Blair-Zögling ■ Von Ralf Sotscheck
Dublin (taz) – Tony Blair hat kein Glück mit seinen Regionalregierungen. Nach Nordirland steckt nun auch Wales in der Krise. Mittwochnachmittag musste der walisische Premierminister („First Secretary“) Alun Michael zurücktreten. Der 57-Jährige, der eine Labour-Minderheitsregierung leitete, kam damit einem Misstrauensvotum der Opposition zuvor.
Das walisische Regionalparlament stimmte dennoch ab und sprach Michael mit 31 zu 27 Stimmen das Misstrauen aus. Sein Amt übernahm kommissarisch der 60-jährige Rhodri Morgan, den Michael bei der Wahl zum walisischen Labour-Parteichef 1998 besiegt hatte. Morgan muss am Wochenende als neuer Parteichef und am Dienstag als Premierminister gewählt werden.
Die Opposition aus Konservativen, Liberalen und walisischen Nationalisten warf Michael mangelnde Standhaftigkeit gegenüber der Londoner Regierung vor, die sich geweigert habe, die auf 1,2 Milliarden Pfund (3,7 Milliarden Mark) veranschlagten EU-Hilfen für benachteiligte Regionen durch denselben Betrag aufzustocken. In Wirklichkeit war das jedoch nur der Anlass, auf den man gewartet hatte. Der Konflikt mit Michael schwelt seit langem. Nicht nur die Opposition war unzufrieden mit seinem diktatorischen Stil, auch mehr als die Hälfte seiner eigenen Abgeordneten war gegen ihn, auch wenn sie den Misstrauensantrag nicht befürwortete.
Blair, den der Rücktritt mitten in der parlamentarischen Fragestunde im Unterhaus überraschte, hatte Michael 1998 als seinen Zögling nach Wales geschickt, und der gewann die parteiinterne Wahl um den Vorsitz damals nur, weil Blair einen Wahlmodus erfunden hatte, der den Gewrkschaften und Unterhausabgeordneten mehr Stimmen als den walisischen Labour-Mitgliedern einräumte. Die hatten mit deutlicher Mehrheit für Morgan gestimmt. Diese Art von Wahlmanipulation wird bei der Nominierung des Labour-Kandidaten für das Londoner Bürgermeisteramt nächste Woche erneut angewendet, um einen Sieg des „roten Ken“ Livingstone zu verhindern.
In Wales musste Blair jedoch einen Rückzieher machen. Über Morgan, den er nun kaum noch verhindern kann, sagte der Premierminister gestern: „Mit seiner völligen Loyalität zu Alun hat Rhodri Morgan alle beeindruckt, besonders in den vergangenen Tagen. Seine Amtszeit in der Regierung war äußerst effektiv. Ich begrüße seine Ernennung.“ Regierungsbeamte räumten ein, dass das Drama um Michael vermeidbar gewesen wäre, hätte Blair sich früher nicht gegen Morgan gestellt. „Jetzt sind wir dort gelandet, wo wir von Anfang an hätten sein sollen“, sagte einer von ihnen. Dafydd Wigley, Chef der separatistischen Nationalistenpartei „Plaid Cymru“, die über 17 von 60 Sitzen in der walisischen Versammlung verfügt, sagte: „Morgan ist nicht Tony Blairs Schoßhündchen. Anders als Michael wird er in Wales respektiert.“
Blairs Dezentralisiserungsprojekt für Großbritannien steht nun also unter keinem guten Stern. Selbst in Schottland, wo Labour keine Probleme erwartete, läuft es nicht glatt. Bei den Wahlen im Mai vergangenen Jahres verfehlte Labour die absolute Mehrheit und musste eine Koalition mit den Liberaldemokraten eingehen. Darüber hinaus ist die schottische Labour-Partei intern zerstritten und in Skandale über zu große Nähe zu Lobbyisten verwickelt.
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