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Wien wird promifreie Walzerzone

Dem Opernball fehlen die Gäste: Keiner will mit Jörg Haider tanzen

Tausende Orchideen aus Madeira sollen die Wiener Staatsoper schmücken, wenn es am 7. März wieder „Alles Walzer!“ heißt. Denn der diesjährige Opernball sollte ganz im Zeichen Portugals stehen. Portugal hat in diesem Halbjahr den EU-Ratsvorsitz inne, und Präsident Jorge Sampaio war als Ehrengast geladen. Doch die noble Veranstaltung wird diesmal zum Austragungsort moralischer Sanktionen gegen die neue österreichische Bundesregierung. Sampaio hat seinen Besuch „verschoben“.

Operndirektor Ioan Holender findet es in einem Interview mit dem Wochenmagazin Format „grotesk, aber für Österreich nicht untypisch, dass sich die ersten sichtbaren Folgen der internationalen Reaktionen auf die Regierungsbildung ausgerechnet beim Opernball zeigen.“

Boykottiert wird auch Richard Lugner. Der millionenschwere Baulöwe kam durch ständiges Auftreten in Gesellschaftsglossen zu Prominenz. Lugner pflegt seine Loge mit einem internationalen Filmstar aufzuputzen. Raquel Welch war schon bei ihm zu Gast und letztes Jahr Faye Dunaway. Diesmal wollte er Claudia Cardinale zum Walzer bitten. Doch die italienische Diva ließ ihn abblitzen: „Ich bin Schauspielerin und will mich nicht wie eine Schachfigur zu politischen Zwecken ausnutzen lassen.“ Lugners Erklärung: „Frau Cardinale wird ein Naheverhältnis zu Präsident Chirac nachgesagt. Gut möglich, dass seine Haltung zu Österreich dabei eine Rolle spielt.“

Durch Gäste wie den Pornostar Dolly Buster im Vorjahr ist der Opernball in letzter Zeit in Verruf gekommen. Dass gekrönte Häupter wie Spaniens König Juan Carlos das gesellschaftliche Großereignis aufwerteten, liegt schon mehr als zwanzig Jahre zurück. Opernball-Organisatorin Elisabeth Gürtler, im Hauptberuf Chefin des weltberühmten Hotel Sacher, sehnt sich nach der alten Exklusivität. Sie hat einen großen Teil der früher üblichen Freikarten gestrichen. Auch Politiker, sollen jetzt bezahlen, wenn sie dabei sein wollen. Manche aber wollen gar nicht, wie etwa EU-Kommissar Günter Verheugen. Ihm ist es zu blöd, eigens einen Frack zu kaufen.

Auch die Zeiten, da der Opernball Anlass und Ziel lautstarker Protestkundgebungen war, liegen jetzt zehn Jahre zurück. In den letzten Jahren versammelten sich immer nur kümmerliche Häufchen von Demonstranten auf dem Opernring. Doch diesmal ist damit zu rechnen, dass die neue Protestbewegung sich das Datum vormerkt. Denn für Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und FPÖ-Chef Jörg Haider gibt es sicher Freikarten. Ralf Leonhard, Wien

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