Dunkle Obsession

Die Kaserne als sexueller Selbstbedienungsladen: „fremd gehen“ (Forum) von Eva Heldmann und Annette Brauerhoch doziert über weibliches Begehren in einer Männerwelt

Eine Frau mit einer Super-8-Kamera, nackt im Bett. Sie filmt ihren Liebhaber, der sich anzieht und gehen will. Lachend versucht sie die Aufdringlichkeit abzumildern, mit der sie ihn umkreist. Er weiß offensichtlich nicht so recht, was er von ihrem Treiben halten soll. Halb scheint er geschmeichelt von ihrer Aufmerksamkeit, halb scheint es, als fühle er sich wie die Labormaus in einem Experiment, dessen Sinn ihm nicht klar ist: Was will das Weib? Hat Freud einmal gefragt. Eva Heldmann und Annette Brauerhoch würden es ihm gerne sagen. „fremd gehen. Gespräche mit meiner Freundin“ ist eine Erkundungsreise per subjektiver Super-8-Kamera und dokumentarischen 16 mm ins Terrain weiblicher Sexualität. Eine Reise ins Herz einer dunklen Obsession, dahin, wo die Menschenopfer dargebracht werden.

Ort der Handlung ist eine Kaserne der U.S. Army; ein Ort, an dem Annette Brauerhoch, die Protagonistin der Dokumentation, die Essenz wahrer Männlichkeit findet. Worüber sie allerdings, trotz all ihrer Beredsamkeit, schweigt: Für sie ist die Essenz von Männlichkeit schwarz. Deshalb ist die amerikanische Kaserne ihr Jagdrevier. Zwei, drei Liebhaber pro Tag findet sie hier, es ist ein Leichtes. Das gibt sie zu. Der Weg zum Zimmer ihres jeweiligen Liebhabers führt endlos an Türen vorbei, von denen sie weiß: sie könnte an jeder anklopfen und der Soldat hinter der Tür würde sofort auf ihr Angebot eingehen. „Es ist wie in einem Bordell.“ Freilich müsste sie für den Fick nicht bezahlen. Freie Wahl zu haben unter Massen gut aussehender, knackiger junger Soldaten, die es sich im Gegenzug nicht leisten können, selbst wählerisch zu sein – dieses Privileg weiß nicht nur Annette Brauerhoch zu schätzen. Diesen Vorteil nutzen auch die aufgetussten, stark blondierten 50-Jährigen aus der Provinz aus, die sich in der Soldaten-Disco tummeln. Ihr Erscheinen ist der spannendste Moment des Films. Über diese Frauen, von denen man annehmen möchte, dass sie mit dem Sex abgeschlossen haben, möchte man mehr erfahren. Wäre es nicht spannender, von diesen braungebrutzelten Sonnenstudio-Hühnern zu erfahren, wie sie ihre Ausflüge legitimieren, als die Akademikerin Brauerhoch über Männlichkeit und die Ambivalenz ihres Begehrens dozieren zu hören?

Denn leider, so mutig die Selbstentblößung der Filmwissenschaftlerin aus Frankfurt sein mag, so zäh ist sie auch. So verspätet wirkt der Film. Vor zwanzig Jahren, okay. Da wäre er eine Provokation gewesen. Aber heute möchte man die Affären von Brauerhoch nur noch privat und nicht mehr politisch nennen. Ein bisschen ist der Film wie der Gang durch die Kaserne: offene Türen einrennen, einen Blick in ein Zimmer werfen, das man längst schon kennt. Brigitte Werneburg

„fremd gehen“, Regie: Eva Heldmann und Annette Brauerhoch, D, 64 Min. Heute, 17.45 Uhr, 15. 2., 20.15 Uhr, und 16. 2., 22.45 Uhr, CinemaxX 8