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Bäume, Stille, Großstadtengel

Auch im größten Liebesglück steckt noch ein kleiner Schmerz, und manchmal wird ein Chanson daraus: Tanja Ries tritt mit ihrem neuen Programm „Nahweh“ im Tränenpalast auf

Die Lieder der Tanja Ries gefallem dem liebeskranken Melancholiker. Schwermütig diese Melodien, und ihre eher spröde, eisklare Stimme singt poetische Verse mit vagen Bildern. Ums Warten geht es, um Liebesbotschaften jeglicher Art. Wolken und Wasser, Bäume, Stille und Träume, Engel und Herzen. Klare Worte, feste Topoi der Liebes- und Innerlichkeitslyrik.

Das grenzt manchmal an den Rand des Kitschs und ans sprachliche Klischee. Aber weil Tanja Ries in ihren Texten nie so ganz greifbar wird, setzen sich beim Zuhörer nur Schemen fest, keine Bilder. Was sie liefert, sind nicht Geschichten, sondern Stimmungen; traurige vor allem. Auch im größten Liebesglück steckt noch ein wenig Schmerz, und dem gibt Tanja Ries einen sanften, farbigen Klang. So war's zumindest bislang, zuletzt mit ihrem Programm und der gleichnamigen CD „Kurz bevor es geschah“.

Ihre Haare sind nun nicht mehr blond, sondern schwarz gefärbt, ihre neuen Lieder allerdings haben das Herzeleid überwunden, so scheint's. Neben Florian Grupp (Piano und Keybord) und Sonny Thet (Cello) ist nun auch ein Percussionist mit dabei. Nico Lippolis hat offenbar enormen musikalischen Input geliefert, und Tanja Ries entpuppt sich mit ihrem neuen Programm „nahweh“ als Popchansonette. Wenn sich Cello und Schlagzeug ein Duell liefern, das Keyboard wie eine Schweineorgel aufzuheulen beginnt, stimmt die klassische Chansonschublade endgültig nicht mehr.

Tanja Ries hält sich währenddessen scheu zurück. Im ärmellosen bodenlangen Kleid, erst grau und schimmernd, dann weinrot, steht sie im Tränenpalast auf der Bühne. Schüchtern fast wirken ihre wenigen Ansagen, die dann doch mehr kleine absurde Geschichten und Gedankenwirbel sind. Als Bühnenfigur oder gar als Mensch wird sie kaum fassbar. Sie bleibt eine Art Chimäre. Großstadtengel, das wäre vielleicht eine passende Bezeichnung für sie. Hinter ihr eine große Leinwand, darauf flimmert Videokunst von Ronald Woyciak: Bilder der nächtlichen Stadt aus dem fahrenden Auto aufgenommen, Flammen und Hände ins Abstrakte verfremdet.

Tanja Ries ist fast nur noch ein Schatten auf der Bühne, während hinter ihr diffus und dekorativ das Bilderchaos flimmert. Dann übernimmt der Computer, Drum-&-Bass-Rhythmen stoßen hinzu, und Tanja Ries und ihre Männer erkunden neue, weite Soundlandschaften. Das alles möchte man bald auf einer neuen CD hören.

Axel Schock

Noch bis zum 26. 2., Mittwoch bis Sonntag, jeweils 20.30 Uhr, Tränenpalast, Friedrichstraße, Reichstagufer 17

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