Schluss mit „Gut gegen Böse“

Die grüne Fraktion will lieber „neue Allianzen für die Umwelt“ schmieden, statt die Industrie oder andere als böse Frevler zu verdammen

Berlin (taz) – Philips, Telekom und Mineralölverband waren der Einladung zum Umweltkongress gefolgt, auch Gewerkschafter und katholische Unternehmer waren da, genauso wie die AG Allergiekrankes Kind, Naturland und Greenpeace. Die Mischung war Programm, denn „neue Allianzen für die Umwelt“ wollte die grüne Bundestagsfraktion am Sonntag in der Waldorfschule Berlin-Kreuzberg schmieden. Viel Konkretes kam – trotz vier Arbeitsgruppen – nicht dabei heraus. Ein deutliches Signal war es trotzdem, schon weil über 500 Leute dem Ruf des Umweltsprechers der Fraktion, Reinhard Loske, gefolgt waren.

„Es geht nicht mehr um Verhinderungsallianzen, sondern um Gestaltungsallianzen“, heißt das Credo Loskes. Die Verschärfung des Kampfes „Gut gegen Böse“ sei „nur noch in Ausnahmefällen erfolgversprechend“. Zu viele Akteure sind nach Loskes Sicht inzwischen am Entstehen der brennenden Umweltprobleme beteiligt – auch die Wähler selbst, die nach Mallorca fliegen wollen. Noch im Sommer löste Loske großen Wirbel aus mit dieser These und seinem Papier, in dem er neue „Innovationsbündnisse“ forderte, auf mehr freiwillige Selbstverpflichtungen und weniger „abstrakter Verbotsforderungen“ setzte.

Zwar hat sich die Aufregung inzwischen gelegt – aber auch am Sonntag rückten Parteikollegen Loskes Thesen zurecht. So erklärte Bärbel Höhn, grüne Umweltministerin in Nordrhein-Westfalen, neue Allianzen seien „kein Allheilmittel“ und eher im „Schönwetterbereich“ angesiedelt.

Höhn warnte vor einer Dynamik, die entstehen könne, wenn man zuerst auf neue Allianzen schaue: Vom Vorurteil „Umweltschutz ist teuer“ käme man zum Hinweis, „es gibt auch Umweltschutz, der sich rechnet“, und lande am Ende bei einem „Wir machen nur noch, was sich rechnet“. Dennoch wusste Höhn von positiven Beispielen neuer Allianzen zu erzählen: Etwa mit der Fleischwirtschaft zur Kennzeichnung von Rindfleisch in ihrem Bundesland.

Auch Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister Rainder Steenblock erwartet von den „neuen Allianzen“ keine Wunder. Er warnte davor, den Blick für alte Allianzen zu verlieren, nannte aber auch gute Beispiele: Etwa die Erweiterung der Nationalparkfläche Wattenmeer um 60 Prozent, für die in über 200 Veranstaltungen und in Kuratorien vor Ort auf Beteiligung gesetzt wurde.

Doch solche Prozesse erfordern mühsame Kleinarbeit. Die Arbeitsgruppen des Kongresses waren davon überfordert. So redeten die drei Podiumsteilnehmer der AG Klimaschutz von Shell, RWE und dem DGB komplett aneinander vorbei. Und die „alten Allianzpartner“, die Umweltverbände, waren sauer, weil keiner von ihnen auf dem Podium saß. Während der Vertreter vom Stromriesen RWE die „klimaschonende“ Atomkraft pries, wuchs die Unruhe. Auch in der AG Gentechnik konnte der Novartis-Vertreter kaum einen Satz ohne Zwischenrufe beenden. Vielleicht sind ja Novartis und RWE doch nicht die richtigen Partner. Und manche Umweltbewegte von der Basis nicht reif für Allianzen: Zuhören sollte man schon können. Matthias Urbach