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„Gewalt stört sie nicht“

n Hongkongs Regie-Star Sylvia Chang über Frauen im Kommerzkino und die Folgen der chinesischen Machtübernahme für die Filmindustrie der Stadt

Sylvia Chang (46) begann vor 25 Jahren als Action-Darstellerin, seit Mitte der 80er führt sie auch Regie. In ihrem Film „Tempting Heart“ erzählt sie die epische Geschichte einer Jahrzehnte dauernden unerfüllten Liebe, ohne je in den Kitsch abzuschmieren.

taz: Sie lassen die Liebesgeschichte in Rückblenden von einer Regisseurin erzählen, die Sie selbst spielen. Da ist die Frage unvermeidlich: Wie autobiografisch ist „Tempting Heart“?

Sylvia Chang: Einige Szenen beruhen auf meinen Erinnerungen, aber es ist nicht meine Geschichte. Ich war sehr oft verliebt, nicht nur einmal. [lacht]

Handelt Ihr Film nicht auch vom Wandel der Geschlechterrollen in den letzten 30 Jahren?

Ich habe einen Film darüber geschrieben, wie sich Menschen in verschiedenen Jahrzehnten verlieben, verliebt sind und sich wieder entlieben – im Prinzip immer dieselben Situationen, aber die Menschen gehen immer wieder anders damit um. Heute neigen die Menschen dazu, die romantische Seite der Liebe zu vergessen – die jungen Leute werden eher zu beruflichem Erfolg erzogen.

Sie sind die einzige Schauspielerin in Hongkong, die den Sprung zur Regie dauerhaft geschafft hat. Warum sind Sie so eine Ausnahme?

Ich kann da nur über meine Generation sprechen. Damals fingen viele als Schauspielerinnen an, weil sie ein hübsches Gesicht hatten, und eigentlich waren sie nur auf Suche nach einem Ehemann.

Mir hat es nie gereicht, nur Schauspielerin zu sein. Da ich aber nie auf einer Filmschule war, arbeite ich noch heute daran, wirklich eine Regisseurin zu werden. Ich glaube nicht, dass ich einen visuell guten Action-Film drehen könnte. Was allerdings auffällig ist: Wenn man selbst Regie führt, ist man als Schauspielerin weniger gefragt. Ich glaube, viele Regisseure fühlen sich da bedroht.

Ist die Filmindustrie in Hongkong besonders chauvinistisch?

Ich würde nicht sagen chauvinistisch, aber Hongkong ist von Männern dominiert, auch in der Filmindustrie. Deshalb findet man kaum gute Frauenrollen. Nicht, weil sie keine schreiben wollen – sie wissen einfach nicht, wie. Aber ich glaube, dass sich das in den nächsten fünf Jahren grundsätzlich ändern wird. Es kommen immer mehr Studentinnen von den Kunsthochschulen und den Filmschulen, im Fernsehen gibt es schon einige Regisseurinnen. Die Frage ist, ob die Frauen zäh genug sind: Denn man muss nicht nur genauso gut, sondern besser sein als die Männer. Aber das ist nicht spezifisch für Hongkong – so läuft das doch überall, auch in Hollywood.

Von Europa betrachtet, scheint sich seit der Machtübernahme der Volksrepublik in Hongkong für die Filmindustrie nicht viel verändert zu haben.

Die Filmindustrie hat sich verändert, aber nur wegen der Wirtschaftskrise. Vor 1997 boomte das Filmgeschäft, bis zu 300 Filme wurden jährlich produziert. Als der Wirtschaftskrach kam, brach auch die Filmindustrie zusammen. Die politischen Veränderungen hatten noch keinen Einfluss. Wir haben immer noch unsere eigene Zensur, die es auch unter englischer Verwaltung schon gab. Solange die Filme nicht in China in die Kinos kommen, kümmert das dort niemanden.

Gibt es nicht wenigstens mehr Koproduktionen zwischen China und Hongkong als früher?

Nicht wirklich. In der Volksrepublik hat jede Provinz ihre eigene Filmproduktion, aber außer der in Shanghai sind sie alle sehr arm. Und die Hongkonger Firmen wollen nicht in China drehen, weil sie dann unter die dortige Zensur fallen. Man muss sogar die Filme dort entwickeln lassen, aber die Technik ist nicht sonderlich gut. Wenn man Pech hat, werden einem die Aufnahmen ruiniert.

Schon der Filmverleih funktioniert nicht. China ist so groß, dass man für jede Provinz einen Aufpasser bräuchte, der die Einnahmen an den Kinokassen kontrolliert. Sonst behaupten die einfach, der Film würde nicht gut laufen.

Wird China Hongkong auch weiterhin in Ruhe lassen?

Die chinesische Regierung ist wahrscheinlich froh, dass Hongkong weiter seine dummen Kommerzfilme produziert. Solange keine politischen Themen verfilmt werden, tun sie niemandem weh. Gewalt zensieren sie nicht. Aber wenn sich eine Chinesin während des Krieges in einen Japaner verliebt, dann werden sie das rausstreichen. So was mögen sie nicht.

Interview: Thomas Winkler „Xin Dong – Tempting Heart“, Regie: Sylvia Chang; mit Takeshi Kaneshiro, Gigi Leung, Karen Mok, HK/China, 114 Min. Heute, 19 Uhr, Zoo Palast; 17. 2., 12 Uhr, Cinemaxx 7.

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