: Hamburger Allianz bricht ganz schnell
Alle Fraktionen in der Bürgerschaft bedauern Scheitern der Fixerstuben vorm Bundesrat ■ Von Peter Ahrens
Es ist die große Hamburger Allianz. Falls es in der CDU-Fraktion in der Bürgerschaft Abgeordnete gibt, die beim Thema Fixerstuben die Faust in der Tasche ballen, dann halten sie zumindest im Plenum den Mund. So gilt das als Linie aller Fraktionen, was der Gesundheitsexperte der GAL, Peter Zamory, in der gestrigen Bürgerschaftsdebatte vorgibt: „Gesundheitsräume retten Leben – im vergangenen Jahr allein 300 in Hamburg.“ Und weil das von allen akzeptiert ist, muss auch die CDU die Entscheidung des Unions-beherrschten Bundesrates „sehr bedauerlich“ finden, das Projekt legale Fixerstuben scheitern zu lassen.
„Wir erkennen ausdrücklich die Arbeit der dort tätigen Mitarbeiter an“, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der CDU, Dietrich Wersich. Und sein SPD-Kollege Matthias Petersen ergänzt: „Die Arbeit, die dort geleistet wird, würde keiner von uns gerne tun.“ Was damit gemeint ist, zählt Zamory auf: Medizinische Grundversorgung, Beratung, Betreuung. „Hier passiert viel mehr als die Rettung vorm Tod.“ Es könne keine Rede davon sein, dass sich Süchtige dort nur ihren Druck setzten. Und selbst wenn es nur das wäre, hätten die Fixerstuben trotzdem ihre eindeutige Berechtigung: „Der Staat hat die Bringschuld, Süchtige nicht elendig krepieren zu lassen.“
Irgendwann während der Debatte bekommt das Bild von der Allianz die ersten Risse. Spätestens als über die Ursachen des Scheiterns der Legalisierung im Bundesrat gesprochen wird. Wersich erkennt handwerkliche Fehler der rot-grünen Bundesregierung im Gesetzentwurf, zieht den ehemaligen Drogenbeauftragten der Stadt, Horst Bossong, als Kronzeugen herbei, der in einem taz-Artikel genau diese Fehler kritisiert hatte. Das ruft Bürgermeis-ter Ortwin Runde (SPD) auf den Plan: Jetzt werde Bossong plötzlich lobend von denen zitiert, die ihn „früher verleumdet und diffamiert“ hätten.
Der Bürgermeister wirft vor allem der CDU in den südlichen Bundesländern „ideologische Fixierung“ vor und erhält Beistand von Lutz Jobs vom Regenbogen. Der sieht die CDU in der „drogenpolitischen Steinzeit“ und stellt fest: „Ein Dietrich Wersich aus Hamburg macht noch keine soziale Partei.“ Lange darf sich Runde aber nicht über die Rückendeckung des Regenbogens freuen. Denn einen Satz weiter mahnt Jobs, „in Hamburg mal ganz vorsichtig mit dem Klopfen auf die eigene Schulter zu sein“. Schließlich habe auch die SPD jahrelang den Kurs vertreten, Mitarbeiter der akzeptierenden Drogenarbeit staatsanwaltschaftlich zu verfolgen.
Und da ist es dann endgültig aus mit der großen Allianz. Denn CDU-Mann Ulrich Karpen gibt dem Senat die Schuld an dem „Zwiespalt, in dem Polizeibeamte täglich stehen, die draußen Drogensüchtige strafrechtlich verfolgen und den Gebrauch von Drogen innerhalb der Gesundheitsräume akzeptieren müssen“. Und Wersich wirft dem Runde-Senat völlige Untätigkeit dabei vor, „etwas dagegen zu tun, dass Hamburg die Drogenhochburg Nummer eins in Deutschland ist“. Nun stehen wieder alle bekannten Fronten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen