: Finanzverteilung verantwortungslos
■ Der Streit um den Länderfinanzausgleich berührt nur die Oberfläche, sagt die Speyerer Finanzexpertin Prof. G. Färber
Die Finanzverfassung der Bundesrepublik ist ein komplexes Sys-tem „organisierter Verantwortungslosigkeit“ und durch eine Reform des Länderfinanzausgleichs nicht zu retten. Diese Auffassung vertrat gestern auf einer Veranstaltung der Grünen die Finanzexpertin von der Verwaltungshochschule Speyer, Prof. Gisela Färber. Die Fachfrau ist Gutachterin für das Saarland im Streit vor dem Bundesverfassungsgericht gewesen.
Verantwortungslos ist die Finanzverfassung, sagt die Expertin, weil die Wirtschaftskraft einer Region (BIP) oder das Brutto-Sozialprodukt ihrer Einwohner sich nicht in der Höhe der Steuereinnahmen niederschlagen. Verantwortungslosigkeit wird gleichzeitig gepflegt, weil diejenigen, „die die Musik bestellen, dafür nicht bezahlen müssen“. Das Prinzip heißt im Fachdeutsch „Konnexität“.
Etwa im Bereich der Hochschul-Ausbildung. Für die Unterhaltung einer Uni gibt es im bundesdeutschen Finanzsystem keinerlei Ausgleich. Vorbildlich dagegen das
System in der Schweiz, sagt die Professorin: Dort muss die Gemeinde, aus der ein Abiturient an eine Uni geht, dafür zahlen – und die Universitäten bekommen für jeden Studierenden anteilig Geld. Das ist „Konnexität“ und schafft Anreize für die Universität.
Färber ist in diesem Sinne für „Wettbewerbsföderalismus“ auch zwischen den Ländern. Wenn die ihre Aufgaben selbst definieren und die Ausgaben dafür über Steuern erheben können, wüssten die Bürger zudem auch wieder, wofür sie Steuern zahlen sollen.
Aber im bundesdeutschen Sys-tem werden Sozialhilfe-Ansprüche für alle gleich beschlossen. In Bremen werden dann pro Einwohner 1048 Mark ausgezahlt, in Baden-Württemberg nur 343 Mark. An Zinslast hat Baden-Württemberg pro Kopf und Jahr 398 Mark zu zahlen, Bremen 1663 Mark. Bremen hat kaum eine Chance, politisch zu handeln, weil Sozialhilfe Bundesrecht ist und der Trend, dass Sozialhilfe-Empfänger in die Ballungszentren ziehen, auch bundesweit gleich ist. Der Zahlenvergleich der Finanzexpertin zeigt ein Weiteres: Wenn man die Sozialhilfe-Lasten über 10-15 Jahre aufsummiert, ergeben sie ziemlich genau die auseinanderklaffende Zins-Belastung. Der Länderfinanzausgleich gleicht gerade die ungerechte Verteilung der Sozialhilfe-Lasten aus. Schlussfolgerung der Finanzexpertin: Gesetzesänderungen über Sonderabschreibungen für den Aufbau Ost, die Anrechnung des Kindergeldes oder etwa die Sozialhilfe-Lasten verschieben die Finanzverteilung mehr als Korrekturen am System des Länderfinanzausgleichs.
„Aus finanzpolitischer Sicht“ macht für Prof. Färber eine Länderneugliederung daher keinen Sinn. Politisch rechnet sie auch nicht damit: Die „reichen“ Länder hätten kaum einen Vorteil davon und in Niedersachsen müssten Hannover und Braunschweig im kommunalen Finanzausgleich etwas abgeben, um den fehlenden Länderfinanzausgleich für Bremen zu ersetzen. K.W.
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