piwik no script img

Bundespräsident Johannes Rau bittet in Israel um VergebungEine große Rede

Johannes Rau hat vor der Knesset eine Rede gehalten, in der er um Vergebung für das bat, „was Deutsche getan haben“. Anlass für diese Rede war vermutlich die Aufforderung des Auschwitz-Überlebenden Elie Wiesel, der kürzlich anregte, der deutsche Bundespräsident sollte sich bei den Juden für den Holocaust entschuldigen.

Die Knesset-Abgeordneten haben die Rede des deutschen Bundespräsidenten vermutlich mit Befriedigung zur Kenntnis genommen. Viele von ihnen kennen Johannes Rau als einen Freund Israels, der in den letzten Jahrzehnten häufig im Lande war und von dem man weiß, dass ihm das, was einst im deutschen Namen geschah, schlaflose Nächte bereitet.

Problematisch sind allerdings einige Formulierungen in der Rede von Johannes Rau. Wenn er sagt: „Ich bitte um Vergebung für das, was [wir] Deutsche getan haben“, dann ist die Formulierung zwar korrekt, lädt aber auch zu Kritik ein. Deutsche Juden sehen sich durch Formulierungen dieser Art ausgegrenzt. Sind wir etwa keine Deutschen, so fragen sie sich. Will Johannes Rau begrifflich einen Trennstrich zwischen Deutschen und Juden ziehen?

Wer Johannes Rau kennt, weiß, dass dem natürlich nicht so ist. Rau hat Erfahrung mit den Fallen, in die man hineintappen kann. Sprache kann vielfach verräterisch sein. Im vorliegenden Fall wäre er gut beraten gewesen, wenn er präziser formuliert hätte. Die NS-Verbrecher waren zwar Deutsche, aber nicht alle Deutschen waren NS-Verbrecher.

Abgesehen von Problemen der Sprachregelung hat Johannes Rau vor der Knesset eine gute Figur gemacht. Ein deutscher Bundespräsident, der über Verantwortung und Mitverantwortung redet, ist jemand, der akzeptiert wird. Er stellt sich damit in die Reihe von Bundespräsidenten wie Richard von Weizsäcker und Roman Herzog, die beide ebenfalls große Reden gehalten haben und mit diesen deutlich gemacht haben, dass das heutige Deutschland zu seiner Verantwortung vor der Geschichte steht.

Dankbar können wir Johannes Rau sein, dass er auf den Jugendaustausch zwischen Deutschland und Israel hinweist. Das, was auf diesem Feld in den letzten Jahren geleistet worden ist, verdient Anerkennung. Die Bundesrepublik sollte auch in Zukunft alles tun, um diesen Austausch zu fördern. Bundespräsident Johannes Rau wird ein Befürworter dieser Aktivitäten sein. Julius Schoeps

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen