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Disput unter den Opfergruppen

■ Bei der letzten Verhandlungsrunde zur Bundesstiftung für die Zwangsarbeiter brechen Verteilungskämpfe auf. Osteuropäer fordern mehr Geld für direkte Entschädigung

Berlin (taz) – Auch gestern gab es wieder die rituelle Zusicherung, man sei bei den Verhandlungen zur Entschädigung der Zwangsarbeiter einen entscheidenden Schritt vorangekommen. Aber selbst wenn die Unterhändler Otto Graf Lambsdorff und Stewart Eizenstat unisono ein Loblied auf die Flexibilität sangen – die Quälerei geht weiter. Jetzt, nach dem späten 10-Milliarden-Zugeständnis der deutschen Seite, rücken die Verteilungskämpfe in den Mittelpunkt. Auf der einen Seite stehen die osteuropäischen Opfergruppen, auf der anderen die Interessenvertreter jüdischer Naziopfer.

Die jüngste Verhandlungsrunde in Berlin verlief gestern ohne Ergebnis. Nächster Termin: Anfang März, Washington.

Der Gesetzentwurf zur Bundesstiftung, der dem deutschen Verhandlungsleiter Graf Lambsdorff als Arbeitsgrundlage dient, hat nicht wenig zur Verschärfung dieser Interessengegensätze beigetragen. Er sieht eine Milliarde zur Begleichung von Vermögensschäden vor, die vor allem jüdische Verfolgte unter der Naziherrschaft erlitten haben. Eine weitere Milliarde will der Entwurf für einen Zukunftsfonds verwenden, der der Versöhnungs- und der wissenschaftlichen Arbeit dienen soll. Das ist ein Wunschkind der deutschen Unternehmer, die damit von Anfang an die Freiwilligkeit ihrer Leistungen unterstreichen wollten. Schon bei Erscheinen des ersten Entwurfs wurde vielfach kritisiert, dass der Restitutionsfonds für Vermögen erstens nicht in die Stiftung gehöre und zweitens viel zu hoch angesetzt sei. Experten sprechen von Ansprüchen in Höhe von maximal 300 Millionen DM.

Die Kritik konzentriert sich weiterhin auf den geplanten Zukunftsfonds, dessen Umrisse völlig unklar sind. Der polnische Staatsminister Jerzy Kranz fasste am Mittwoch die Position der osteuropäischen Opferseite prägnant zusammen: „Unter 9 Milliarden DM für Direktentschädigungen der Opfer ist mit uns keine Verhandlungslösung möglich.“ Die restliche Milliarde solle für Zukunftsaufgaben und für die Restitution von Vermögen ausgegeben werden. Die Intervention der osteuropäischen Opfervertreter fällt deswegen so scharf aus, weil die 10 Milliarden nach einem Länderschlüssel vergeben werden, auf den sich Ende letzten Jahres die Osteuropäer geeinigt haben. Nach diesem Schlüssel hängt die Entschädigung der auf dem Land eingesetzten Zwangsarbeiter von einer Aufstockung der Gelder über der 7,7-Milliarden-Grenze ab.

Zu wenig subtilen Verhandlungsmethoden hat gestern Michael Witti, Partner des US-Anwalts Ed Fagan, gegriffen. Er warf den osteuropäischen Opferverbänden vor, dass sie mit überhöhten Zahlen noch lebender Zwangsarbeiter arbeiteten, „um sich den Kuchen dick zu machen“. Hierzu meinte Jiri Schittler, Vertreter der tschechischen Regierung, das Problem seines Landes seien nicht zu hohe, sondern zu niedrige Schätzungen. Jetzt würde er für seine Ehrlichkeit bestraft. Konstruktiv hingegen der Vorschlag des amerikanischen Anwalts Michael Hausfeld: Er trat für die Kürzung des Zukunfts- wie des Vermögensfonds zugunsten direkter Entschädigung ein.

Im Klima wechselseitiger Anwürfe wundert es nicht, dass von der polnischen Seite die Bestimmungen des Entwurfs kritisiert werden, nach denen nicht in Anspruch genommene Gelder zur Vermögensentschädigung an jüdische Organisationen übergeben werden. Stattdessen, so die Forderung, solle für diese Restsumme ein internationales Verteilungsgremium eingerichtet werden.

Christian Semler

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