Kommentar: Die Staatsbesitzer ■ Das CDU-Personal wird ausgetauscht, der Skandal bleibt
Alle, die nicht zur CDU gehören, haben den gleichen deutlichen Eindruck: Die Christdemokraten neigen dazu, sich selbst zu verwechseln. Immer wenn es ernst wird, macht die Partei eine irritierende Metamorphose durch. Dann hält sich die CDU nämlich nicht mehr für eine Partei – sondern gleich für den Staat.
Dieses Phänomen zeigte sich zum ersten Mal, als der ehemalige Ehrenvorsitzende einfach seine Spender verschwieg und das Parteiengesetz souverän ignorierte. Zuletzt war diese eigenartige Eigenart der Selbstüberhöhung zu beobachten, als die CDU sich darüber erregte, dass 41 Millionen staatlicher Unterstützung zurückzuzahlen sind. Dass unvollständige Rechenschaftsberichte im Parteiengesetz verboten sind, wurde dabei als eher unerheblich uninteressant eingestuft.
Recht setzt Staat voraus; und der Staat setzt Recht. Genau diese staatliche Rolle nimmt die CDU für sich in Anspruch. Das erregt. Schon seit Wochen.
Aber die Erregung konzentrierte sich auf die Personen, weniger auf die Strukturen. Genauer: Beides wird oft für identisch gehalten. Nicht nur in der CDU wird angenommen, dass sich schon irgendwie eine Zäsur ereignet, wenn Schäuble – und wahrscheinlich bald Koch – erst einmal geopfert ist.
Doch worin soll die Zäsur bestehen? Sie ist zunächst allenfalls für den Fernsehzuschauer zu erwarten. Kein Drama mehr. Keine Lügen, keine Verstrickungen, keine Rebellionen, keine eidesstattlichen Erklärungen. Jedenfalls nicht mehr sichtbar auf der Mattscheibe.
Im Vergleich zu diesem lauten Kampf und Krampf wirkte der eigentliche Skandal bisher immer so richtig langweilig. Die Vermutung gibt es schon lange, jetzt endlich wird sie in einem eigenen Untersuchungsausschuss im Bundestag verfolgt: Wahrscheinlich hat die CDU Teile des Staates verkauft. Noch immer ist völlig ungeklärt, warum die Spenden flossen. Aber bestimmt nicht umsonst.
Noch ist Leuna kaum mehr als ein Stichwort. Trotzdem ist schon jetzt klar: Es ist nicht nur ein bizarrer Witz, dass Ex-Kanzler Kohl sich über den Staat stellt. Nicht nur eine Anekdote, dass die CDU gegen die Rückzahlungen rebelliert. Nein, Kohl und seine Partei hielten und halten sich wirklich für die Staatsbesitzer. Dieser Eindruck wird wohl noch lange bleiben.
Ulrike Herrmann
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