: Synchronisation: Man spricht Deutsch
Ein Teletubbie-Synchronsprecher hat nicht viel zu sagen, aber er muss gut brabbeln können. Sascha Draeger, der dem Tubbie Dipsy seine Stimme leiht, findet das anstrengender als jede Literaturverfilmung: „Wir müssen beim Synchronisieren immer wieder Pausen machen“, sagt er. Doch weil die Teletubbies nur ein unförmiges Maul haben, gibt es wenigstens keine Probleme mit der Lippensynchronität.
Das ist normalerweise die größte Hürde beim Eindeutschen. Auch der emotionale Ausdruck muss richtig getroffen werden. In der DDR wurde diese Kunst an speziellen Schulen gelehrt. Eine derartige Ausbildung gibt es inzwischen nicht mehr: Learning by Doing heißt heute der Weg in den Beruf. Viele SynchronsprecherInnen haben jedoch eine Schauspielausbildung und sind nebenbei auf Bühnen, vor Kameras und Radiomikrofonen tätig. Andere arbeiten in der Werbung, bei Hörspielproduktionen oder sagen in der Berliner U-Bahn die Stationen an – wie Ingrid Metz, die deutsche Stimme von Marilyn Monroe.
Auch Deutschlands bekanntester Synchronsprecher, Christian Brückner, ist längst nicht mehr nur als Robert de Niro, Harvey Keitel oder Marlon Brando zu hören. Seine markig-rauhe Stimme findet sich auch auf Hörbüchern und in Fernsehdokumentationen.
Über achtzig Prozent der Filme im deutschen Kino und Fernsehen kommen aus dem Ausland. Es ist seit den Fünfzigerjahren üblich, dass sie synchronisiert werden. Die ZuschauerInnen sind seither daran gewöhnt, dass auch in Hongkong und der Bronx Deutsch gesprochen wird. Dass Flair, Tonfall und Wortwitz des Originals entgehen, stört sie nicht. Auch Übersetzungsfehler werden in Kauf genommen – Untertitel lesen gilt als zu anstrengend. In kleineren Ländern wie den Niederlanden ist es hingegen normal, dass auch im Fernsehen ausländische Spielfilme untertitelt laufen.
Die größten deutschen Synchronstudios sind in Berlin, Hamburg und München. Spielfilme werden vor allem in der Hauptstadt bearbeitet, die anderen Standorte sind auf Fernsehserien spezialisiert. Die Synchronisation inklusive Übersetzung, Geräuschen und Schnitt findet meist unter großem Zeitdruck statt: Für einen zweistündigen Spielfilm darf ein Studio oft nur eine Woche brauchen. Da kann es vorkommen, dass Leinwandstars wie Samuel L. Jackson von Film zu Film wechselnde deutsche Stimmen haben. Aber auch feste deutsche Stimmen gehen manchmal „verloren“. So zog sich zum Beispiel Stephan Schwartz als Tom-Cruise-Sprecher zurück, als dieser sich zur Scientology-Sekte bekannte.
In der Seriensynchronisation herrscht derzeit Unruhe: Weil die Sender ihre Soap Operas vermehrt selbst produzieren statt sie zu importieren, haben die SprecherInnen weniger zu tun. Die Konkurrenz wird schärfer und die Honorare fallen. Schauspieler und Synchronsprecher Rolf Becker prophezeit einen „Qualitätsverlust“, weil die SprecherInnen täglich oft doppelt so viel synchronisierten wie Mitte der Neunzigerjahre. Nadine Lange
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