: Zwangsorgien im Hühnerstall bald verboten
■ Gerade mal 450 Quadratzentimeter stehen einer Legehenne zu / Das ist verfassungswidrig / Aber erst in einigen Jahren wird es mehr Platz geben als so einen DIN-A4 großen Käfig
Im Sommer hat das Bundesverfassungsgericht der Legehennen gedacht: Die bisherigen 450 Quadratzentimeter (in etwa eine drei Viertel DIN-A4-Seite) pro Henne reichen nicht aus. Allein zum Umdrehen brauchen Hennen das Dreifache an Platz. Dem artgemäßen Ruhebedürfnis der Hennen entspräche es nicht, mit drei bis fünf anderen Hennen „auf- oder übereinander zu schlafen“, hatte das Bundesgericht festgestellt.
Auch die neue EU-Richtline, die immerhin 550 Quadratzentimeter pro Huhn erlaubt, reicht nicht aus. 690 Quadratzentimeter bräuchte eine Legehenne, um allein schlafen zu können. Aber bis zur Umsetzung der EU-Richtlinie müssen die Hennen noch warten: Erst ab 2003 wird die Grundfläche aufgestockt. Neun Jahre später soll es dann 750 Quadratzentimeter große Käfige geben: mit Nest, Sitzstange und Scharrfläche.
Carsten Krieger vom Tangstedter Öko-Gut Wulksfelde bei Hamburg geht das gegen den Strich: “Ein Huhn in einem Käfig zu halten, geht grundsätzlich nicht, wenn es seine Grundbedürfnisse befriedigen können soll“, sagt der Hühnerexperte. Die Hennen müssten dazu scharren, im Sand baden und auf eine Stange steigen können. Alles andere sei Tierquälerei – eine Quälerei, die vom weitaus größten Teil der tierlieben Deutschen gedankenlos mitgemacht wird.
Rund 90 Prozent aller Hühner leben nach Angaben der Vertriebsgesellschaft Neuland in Käfigen. Zehn Erzeuger halten 85 Prozent der Hennen. Sie kämpfen mit Preisdifferenzen von Zehntelpfennigen pro Ei. Aber bei den Millionen von Eiern, die auf dem Umweg über Nudeln oder gleich direkt in die Supermärkte wandern, addiert sich das zu einer stattlichen Summe.
„Ich denke, dass die Hauptschuld beim Konsumenten liegt“; sagt Krieger, die Hersteller reagierten auf den Markt, und dort haben die Kunden die Wahl. Was sich allerdings hinter Eiern aus Käfig-, Boden-, Freiland- oder Öko-Haltung versteckt, mag manchen so verwirren, dass er schlicht zum Billigsten greift – besonders angesichts neuer Produkte, wie extra großen Eiern auf Stroh.
Bei Käfig- oder Batteriehaltung sind die Hennen auf allen Seiten in einem Drahtgitter eingesperrt. Bestimmte Drahtstärken und Maschenweiten sind vorgeschrieben. „Es ist aber immer noch üblich, dass sich die Hühner mal einen Zeh abreißen“, sagt Björn Ortmanns von Bioland.
In der Bodenhaltung haben die Hennen einen Boden ohne Löcher unter den Krallen, der überdies mit Streu bedeckt ist. Bei Freilandhaltung kommen pro Huhn zehn Quadratmeter Auslauf im Freien hinzu. Strengere Vorschriften gelten alles in allem nur für Bio-Eier.
Die einschlägige EU-Verordnung erlaubt höchstens sechs Legehennen pro Quadratmeter Stallfläche und schreibt mindestens vier Quadratmeter Auslauf vor, wobei sich nicht mehr als 230 Hühner auf einem Hektar tummeln dürfen. Bio bedeutet also nicht automatisch Freilandhaltung.
Dafür ist die Art der Hühnerhaltung in den ökologischen Landbau eingebunden. Auf dem Öko-Gut Wulkswede zum Beispiel muss die Hälfte des Futters für die rund 800 Legehennen auch dort geerntet werden. Der Hühnermist wird zum Düngen verwendet. Hinzu kommt, dass für die ökologischen Hühnerhalter Wachstumsförderer, Antibiotika und Hormone als Futterzusatz ebenso tabu sind wie gentechnisch veränderte Pflanzen.
Für Mitglieder bei Neuland, einem Verein für tiergerechte und umweltschonende Nutztierhaltung, liegt der Schwerpunkt etwas anders: Zwar sind Importfutter und Futterzusätze verboten, das Futter muss jedoch nicht aus ökologischem Landbau stammen. Dafür stammen Neuland Eier immer aus Freilandhaltung.
Gernot Knödler
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