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Große Familie in großer Not

Parteitag der Hamburger CDU: Ole von Beust gibt den Kurs für den personellen und strukturellen Neuanfang vor  ■ Von Sven-Michael Veit

Hartmut Engels bekam den Koffer nicht auf. Mehrfach bemühte sich der Bürgerschaftsabgeordnete und Sitzungsleiter des CDU-Landesparteitages am Sonnabend im Bürgerhaus Wilhelmsburg, seinen Aktenkoffer mit den Tagungsunterlagen zu öffnen. Mit hochrotem Kopf erteilte er schließlich dem Landesvorsitzenden Dirk Fischer das Wort und verschwand vom Podium in eine Saalecke zwecks Problemlösung.

Fischer widmete sich derweil der finanziellen Lage seiner Partei, die ursächlich mit den Kofferproblemen anderer Unionspolitiker im Zusammenhang steht: „Lassen Sie sich nicht beirren, liebe Spender“, flehte er, „von Leuten, die Spenden aller Art als halbillegal und anrüchig diffamieren“. Fehlte nur noch, dass über dem Podium die Kontonummer der Hamburger Union aufleuchtete.

„Opferbereitschaft“, „Treue“ und „Dank“ – drei Begriffe, die sich als roter Faden durch Fischers Rede zogen. „Unsere Mitglieder halten fest zu uns“, beschwor er den Parteitag, „obwohl sie unter all dem leiden, was im Namen der CDU geschehen ist.“ Da sei bisweilen „etwas von dem zu spüren, eine große Familie zu sein, die in der Not zusammensteht“. Eine Behauptung, die sich schon kurz darauf als leicht übertrieben erwies.

Denn lediglich 144 der 236 CDU-Delegierten mochten Fischer, der zum fünften und letzten Mal als Landesvorsitzender kandidierte, ihre Stimme für eine erneute zweijährige Amtszeit geben. Mit 61 Prozent kassierte der Kohl-Getreue sein mit Abstand schlechtestes Ergebnis, seit er 1992 den Parteivorsitz der Elb-Union übernahm. Zudem musste der 56-jährige Bundestagsabgeordnete sich erstmals eines Gegenkandiaten erwehren: Der auch in der Partei weitestgehend unbekannte 22-jährige Finanzmakler Björn Neumann aus Eimsbüttel begründete dem überraschten Plenum seine Kandidatur mit den Worten, er wolle „ein Signal für die neue innerparteiliche Demokratie“ setzen. Immerhin 42 Delegierte dankten ihm seinen Reformermut.

Den Kurs auf dem Parteitag aber bestimmte Fischers innerparteilicher Widersacher Ole von Beust. Kurz und prägnant forderte der Fraktionschef in der Bürgerschaft den „personellen und strukturellen Neuanfang der Union“ und düpierte so nebenbei auch noch Gastredner Volker Rühe. Der solle versuchen, die Landtagswahl in Schleswig-Holstein entgegen aller Prognosen doch noch zu gewinnen, aber als CDU-Vorsitzender im Bund komme er nicht in Betracht: „Ich will Angela Merkel“, stellte von Beust klar, und der Parteitag folgte ihm mit großer Mehrheit .

Der 44-Jährige, der schon Anfang Januar erklärt hatte, ihm sei „nicht mehr nach Kohl zumute“, hat den innerparteilichen Machtkampf mit Fischer und seinen Kohlianern bereits gewonnen. Das zeigte sich auch in seinem deutlich besseren Wahlergebnis: Mit gut 80 Prozent der Stimmen wurde er ebenfalls zum letzten Mal als Partei-Vize bestätigt.

Erst in zwei Jahren will von Beust sich zum Landesvorsitzenden wählen lassen, der Form halber. (Weiterer Bericht Seite 6)

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