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Ich und mein Backkatalog

Christine Hill zeigt bei Eigen & Art, was sie in den letzten Jahren unter den Copyrights „Artslut“ und „Volksboutique“ produziert hat

Wenn früher Firmen wie Siemens, Braun oder AEG für ihre Produkte allein mit ihrem Namen warben, war immer klar, um was es ging. Heutzutage sind viele Labels ganz unterschiedlich kontextualisiert: Da steht beispielsweise WMF für Edelstahl-Küchenutensilien und einen guten Club. Oder das Wörtchen Golf für ein Auto, einen Sport und eine bestimmte Generation. Auch Christine Hill kennt da nichts, ihre Markennamen, unter denen sie Kunst produziert, sind „Volksboutique“ und „Artslut“, und diese versucht sie von ihrem mobilen Büro aus im Art-Business zu etablieren. So hatte die „Volksboutique“ eine Filiale auf der Documenta X in Kassel, und im gleichen Stil hat Hill letzten Sommer ihr Büro nach New York verlegt, um dort als „tourguide“ von „walking-tours“ in Manhattan Kunst mit Freizeit zusammenzubringen.

Unter dem Namen „Public Notice: Back Catalog“ hängt zur Zeit der Katalog aus diesen Produktionen bei Eigen & Art an der Wand. Christine Hill hat sich durch ihr „Artslut“-Archiv gewühlt und katalogisiert, was in den letzten Jahren passiert ist und welche Projekte sie gerade auf ihrem Schreibtisch plant. Dazu hat sie A 3-Poster mit blauen Slogans bestempelt, die Ideen zum Thema Kunstproduktion anpreisen. Auf dezenten, dekorativen Tönen von Beige, Grün und Creme erfährt man, dass es darum geht, Prozess und Produkt zu zeigen und finanzielle Unabhängigkeit durch Arbeit, die gleichzeitig Kunst und Broterwerb ist, zu erlangen.

Das sieht sexy aus und ist unterhaltsam zu lesen, schließlich weiß Hill, was ein guter Entertainer ist. Nicht zuletzt ist der New Yorker Talkshowmaster Conan O’Brien Objekt ihrer Obsession, und das euphorische Treffen mit dem Vorbild am 25. Februar 1999 erwähnt sie immer wieder. Auf der Inhaltsbeschreibung der Ausstellung, die Hill selbst liefert, wird dann auch gleich dreimal erklärt, dass das Foto von Conan und ihr keine Fotoshopmontage ist. O’Briens Intro „Let’s take a look ...“, das er vor jedem neuen Gast in Harald-Schmidt-Manier in die Kamera sagt, wird zum Motto der Ausstellung. Christine Hill guckt und zeigt, was unter den eingetragenen Copyrights „Artslut“ und „Volksboutique“ entstanden ist und was sie sonst noch so getan hat. Zwischen den vielen Postern hängt dann auch ein Umzugskarton: Hill ist furchtbar viel umgezogen, von New York nach Berlin und zurück, durch vier Wohnungen in genauso viel Monaten, und da entsteht unentwegt Heimatlosigkeit.

Doch eigentlich sind Hills Projekte immer Plastiken im sozialen Raum, der Betrachter soll nicht nur gucken, sondern aktiv teilnehmen. In der „Volksboutique“ konnte man Kleider spenden oder kaufen, bei „tourguide“ gab es die garantiert einzigartige Lauftour durch Soho.

Mitmachen und zusehen soll man auch bei den nächsten Projekten, die alle auf Plakaten in „Public Notice“ beworben werden, nicht zuletzt weil Sponsoren für die Umsetzung natürlich unverzichtbar sind und gesucht werden. Hill will in einer Ausstellung einen Talkshow-Piloten produzieren, der dem Geist von Conan O’Brien folgt und einen besonderen Menschen der Öffentlichkeit präsentiert. Und damit die Heimatlosigkeit, oder „schlimmer, die Bürolosigkeit“, wie sie das nennt, in Berlin ein Ende hat, soll ein Baucontainer als mobiles Office und Archiv ausgebaut werden.

Bei einer solchen Flut von Geschichten und Referenzen müsste eigentlich das Managermagazin bald den vollen Erfolg für die Positionierung der Global Brands „Volksboutique“ und „Artslut“ im Artbiz melden. Da ist die tragische Geschichte um eine deutsche Postbeamtin und eine Hochzeitskleid als Kleiderspende von einer Dokumenta-Besucherin nur konsequent: Die Frau von der Post wollte das Paket an die „Volksboutique“ nicht ohne ausdrückliche Vollmacht an Christine Hill ausgeben. Hill entgegnete entgeistert: „But Volksboutique, das bin ich!“ Es half nichts, das Kleid wurde zurückgeschickt, Absender unbekannt, und Christine Hill vermisst es. Wer es kennt, bitte melden.

Daniel Boese

Bis 26. 2., Eigen & Art, Auguststr. 26, Di–Fr 14–19 Uhr, Sa 11–17 Uhr

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