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Demonstrative Einmischung ■ Berlin hatte den Bund herausgefordert

Im Innenausschuss des Berliner Parlaments machte der SPD-Bundestagsabgeordnete Dieter Wiefelspütz gestern unverblümt klar, wo die Grenzen der Berliner Politik liegen: Das Versammlungsrecht wird nicht geändert, und auch für die Erweiterung der Bannmeile wird es im Bundestag keine Mehrheit geben. Basta.

Wiefelspütz hat gestern den Berliner Innensenator in die Schranken gewiesen. Zum ersten Mal ist unmissverständlich klar geworden, dass der Kellner die Rechnung nicht mehr ohne den Wirt machen kann. Gemeinsam sollen der Innenminister, der Innensenator und Abgeordnete beider Parlamente nach einer Lösung für das Berliner Demonstrationsproblem suchen, schlug Wiefelspütz vor. Das war ein eindeutiger Versuch, der Berliner Politik das Heft aus der Hand zu nehmen. Das Kräfteverhältnis in der Inneren Sicherheit hat sich damit unmerklich zugunsten des Bunds verschoben.

Diesen Verlust an Souveränität hat sich Berlin allerdings selbst zuzuschreiben. Die deutliche Intervention des Bundespolitikers hat der Innensenator mit seinen vollmundigen Ankündigungen, am Grundrecht der Versammlungsfreiheit herumpfuschen zu wollen, selbst herausgefordert. Werthebachs undurchdachter Vorschlag, die Bannmeile zu erweitern, um das Demonstrationsrecht am Brandenburger Tor einzuschränken, war durchsichtig und eines Juristen nicht würdig.

Zu Recht beklagte Wiefelspütz das „unterirdische Niveau“ der Debatte um das Demonstrationsrecht in Berlin. Ebenso den Dilettantismus der Versammlungsbehörde, der Ende Januar nicht einmal ein gerichtsfestes Verbot einer NPD-Demonstration gelang.

Zudem gibt Werthebach Anlass zu dem Verdacht, dass er mit seinem harten Kurs gegen rechtsextreme Demonstrationen auch ein härteres Vorgehen gegen links vorbereiten will. Eine Andeutung machte Wiefelspütz auch dazu: „Man schaut Ihnen auf die Finger, ob sie mit dem Versammlungsrecht etwas anderes vorhaben.“

Das kann man auch so verstehen: Das Agieren des Innensenators steht unter der interessierten Beobachtung der Bundespolitik. Damit ist zumindest für eine gewisse Schadensbegrenzung gesorgt. Dorothee Winden

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