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Des einen Gift, des anderen Schutz

Streitigkeiten zwischen Umwelt- und Landwirtschaftsminister verhindern ein Verbot zinnorganischer Gifte. Trikots und Kartoffeln bleiben verseucht ■ Von Thomas Schumacher

Leer/Ostfriesland (taz) – Fische haben es, Milch hat es, Obst hat es, Kartoffeln haben es nicht direkt, aber von ihre Schale aus gelangt es in Gewässer und den Boden. Chemische Organozinnverbindungen verseuchen als Pflanzenschutz-, Desinfektions- und Holzschutzmittel Lebensmittel und Umwelt. Zumindest darüber sind sich Umwelt- und Landwirtschaftsministerium einig. Uneinig sind sie, wie und ob sie zinnorganische Verbindungen verbieten sollen oder können.

Nachdem das ARD-Magazin „Plusminus“ mit Tributyzinn (TBT) vergiftete Fußballtrikots vorstellte und die taz Triphenylzinn (TPT) als Fäulnisschutz auf Kartoffeln offenbarte, forderte Umweltminister Jürgen Trittin das Verbot aller hoch giftigen Triorganozinn-haltigen Stoffe. TBT ist bekannt geworden als Bestandteil von Schiffsanstrichen. Das Biozid erstickt „blinde Passagiere“, Seepocken und Algen, die sich an der äußeren Schiffshaut festsetzen wollen. TPT wird seit Jahrzehnten flächendeckend in der Landwirtschaft zum Pflanzenschutz eingesetzt. TBT und TPT führen zu einer hormonellen Wirkung bei Menschen und Tieren. Die spektakulärsten sind Penismissbildungen bei Eisbären und Penisbildung bei Schneckenweibchen. Beim Menschen sind als Folge von hormonell wirkenden Giften unter anderem Unfruchtbarkeit, Menstruationsstörungen und Konzentrationsschwächen nachgewiesen.

Umweltminister Trittin hat jetzt das Umweltbundesamt (UBA) in Berlin angewiesen, das Ausmaß der Triorganozinn-Anwendungen zu ermitteln und nach Ersatzstoffen zu suchen. „Diese Fachgespräche finden am 14. März statt. Eine Diskussion über TPT-haltige Pflanzenschutzmittel ist aber nicht vorgesehen“, sagt UBA-Mitarbeiterin Doris Schablowski.

Das Landwirtschaftsministerium, zuständig für Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft, weiß nichts von diesem Gespräch. Sprecherin Ursula Horzetzky: „Wir treffen uns am 20. März mit den Herstellern der betroffenen Pflanzenschutzmittel.“ Da geht es aber nicht um ein Verbot der belasteten Pflanzenschutzmittel Brestan, Preopal und Torque, sondern um ein Gutachten der Hersteller, mit dem diese die Unbedenklichkeit ihrer Mittel nachweisen wollen.

„Ein Verbot dieser Mittel ist nicht so einfach“, meint Horzetzky. „Die Hersteller haben eine gültige Zulassung und können sie einklagen. Wir versuchen, wenn es möglich ist, solche Verbote über die Europäische Union zu erwirken.“ Ähnlich zurückhaltend argumentieren auch einige im Hause Trittin selbst. Ekkehard Offhaus, Abteilungsleiter am UBA: „Wir haben genügend Wissen über die öko- und humantoxische Wirkung des TPT in Pflanzenschutzmitteln. Wir müssen jetzt ermitteln, welche Mengen wo schädlich sein könnten. Man kann diese Stoffe ja nicht einfach verbieten, ohne einen Ersatz zu haben.“

Für das Landwirtschaftsministerium beobachtet die Biologische Bundesanstalt in Braunschweig (BBA) die wissenschaftliche Diskussion. „Die BBA muss von sich aus tätig werden, sollten sich neue Erkenntnisse ergeben, die die Zulassung bestimmter Pflanzenschutzmittel einschränken könnten“, formuliert Ursula Horzetzky den Standpunkt des Landwirtschaftsministeriums. Der entscheidende Mann am Schreibtisch in Braunschweig ist Heinrich Kohsiek, Leiter der Abteilung für Pflanzenschutzmittel an der BBA: „Ich weiß nicht, welche Erkenntnisse Herr Trittin hat, die ein Verbot von Brestan, Preopal oder Torque notwendig machen. Ich habe jedenfalls keine und kann dem Landwirtschaftsministerium auch keine Vorschläge machen.“

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