: Liebesgrüße aus dem Leberwurstsender
Im Mitteldeutschen Rundfunk gibt Kim Fisher ihr Bestes
Die Kim ist Jahrgang 1969. Die Kim hat freches blondes Kurzhaar. Eigentlich führt die Kim noch einen Künstlernachnamen: Fisher. Und zwar weil die Kim Schlager singt: „Dann war es doch Liebe“, zum Beispiel. Kim Fisher muss es also korrekt heißen.
Die Kim ist nicht dumm, nein, so einfach machen wir es uns nicht. Die Kim hat „die Kirche im Dorf, das Herz auf der Zunge und das Geld auf der hohen Kante“. In summa: Die Kim ist prasseldumm. So prasseldumm, dass ihr selbst Matthias Reim („Verdammt, ich lieb’ dich“) nach nur einem Jahr „großer Liebe“ weggelaufen ist.
Da kommen ihr so Ideen: „Nach Matthias hatte ich ein Jahr lang eine Phase, in der ich dachte: Jetzt musst du einfach mal alles ausprobieren, was du während deiner Beziehungen immer haben wolltest. Mal ausbrechen. Was Verbotenes tun.“ Eine dieser Ideen gewann in der Moderation der mdr-Talkshow „Riverboat“ (2,1 Mio. Zuschauer) Gestalt. Ab 1998. Auf dem Dresdner Elbdampfer „Florentina“ schieben drei mit Mückenpatschen bewehrte Moderatoren zu hundserbärmlichem Dixielandmuzak Kajütendienst und schleppen einen masturbatorischen Mix aus Hüpfeburg und Betriebsausflug – ein Gott und Geist verborgenes Übungscamp im Danebenbenehmen durch die endlos scheinende Sendezeit. So eine wie die Kim hat da gerade noch gefehlt.
Die bisherige Besetzungsliste der Kommandobrücke von „Riverboat“ (1,76 Mio. Zuschauer) liest sich denn auch wie eine Geisterbahn: Antje Garden („vor sechs Jahren tragisch verunglückt, ihr Mann im Knast“), Christiane Gerboth („In der DDR habe ich gelernt mich durchzubeißen. Mich haut so schnell nichts um.“), Peter Stefan Herbst („nie gehört den Namen“), Klaus Peter Grap (Moderator und Schauspieler: „Der Mond scheint auch für Untermieter“ – Fernsehdirektor Henning Röhl: „Ein frecher Typ“), Madeleine Wehle („große Mandelaugen, Schneewittchen-Haar, aber zu blass, sieht keinen Stich“), Jörg Kachelmann („manövrierte den Unterhaltungsdampfer mit seinem bissigen Humor in schwere See“) und „last but not least“ Kapitän Jan Hofer („Die Frauen an meiner Seite in der Öffentlichkeit sind alle nur flüchtige Flirts“). Sie wird nur noch von den Gästen übertroffen: Alles, was die Zonenprominentenszene hergibt. Und sie gibt wirklich alles her. Ergänzt um allerlei Outtakes des Westtalkinventars.
Die Kim ist trotzdem kritisch, „schaut sich ihre Sendungen an, macht sich Notizen“ – im Feigling-Rausch: „Manchmal bin ich zu verletzend, manchmal zu freundlich. Entweder bin ich sehr freundlich oder sehr traurig. Manchmal sehr laut, manchmal sehr leise. Ich muss erst lernen, die goldene Mittellage zu finden“, hühnert sie prompt in den Teleprompter. Aber immer wie angetütert. Das sind die Maßgaben ihrer mit nichts als plumper Dummheit gedopten Unterhaltungskunst. Die Fähigkeit eines anatomisch normal ausgebildeten Mitteleuropäers, sein linkes Auge für zwei Sekunden geschlossen zu halten, wirkt dagegen wie ein kolossales Kunstwerk, wie die reife Großtat eines Titanen.
Die Kim ist dafür der female Scheitelpunkt der beiden ranzigen Schenkelklopfer Jan „Tagesschau“ Hofer und Jörg „Wetterfrosch“ Kachelmann. Dabei behandelt Hofer das „Riverboat“ (1,68 Mio. Zuschauer) längst als seine ganz persönliche Seniorenresidenz, und Jörg Kachelmann ..., ach, vergessen Sie’s. Immerhin sind wir hier beim mdr, vergessen Sie das nicht! So souverän diese Sendeanstalt aus der Frage „Wer wen?“ eine Partnerverkupplungssendung namens „Wer mit wem?“ in den Zielgruppenhimmel transzendiert, so dreist verplattgoldet sie mit „Riverboat“ (1,4 Mio. Zuschauer) die Frage „Was tun?“ zu „Was nun?“ und plättet somit die pure Rat- und Ahnungslosigkeit ins mitteldeutsche Wohnzimmer.
Ein Mensch glaubt nur, was er sieht. Ein mdr-Zuschauer will nur sehen, woran er glaubt. Zum Beispiel glaubt er beharrlich, es sei eine Kunst, ins Leberwurst-TV zu kommen. Obwohl doch dieses perniziöse „Riverboat“-Trio alle vierzehn Tage das strikte Gegenteil beweist. Und was der Zuschauer von der kakophonen Stammelprosa nicht gleich beim ersten Glotzen kapiert hat, transkribiert ihm der wöchentliche mdr-Newsletter Super Illu in einfachen Aussagesätzen und mit optimal wenig Fremdwörtern auf Papier. Wie riesig schön und richtig wichtig beispielsweise der Auftritt von Alt-Kanzler Helmut Kohl („Käpt’n der Nation“) gewesen sei. Wie riesig schön und richtig wichtig es sei, Hofer oder Kachelmann zu heißen. Oder Super Illu schaltet eine tolle Kohabitationsanzeigenkampagne mit der Kim, fast oben ohne, im Negligé. Headline: „Wo ist der Kerl, der mich glücklich macht?“ Damit sie endlich wieder unter die Haube kommt. Aber „ich bin sehr freiheitsliebend. Und er [der Mann, d. Red.], der impulsive Bauchmensch sagt: ‚Ich schmeiße mich sofort völlig rein in eine Beziehung. Sage nach drei Tagen: Komm, lass uns zusammenziehen.‘ Das ist natürlich schwierig bei Frauen, die etwas in der Birne haben“. An, nicht in, Kim!
Michael Rudolf
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