Wiener Blut

Der junge habsburgische Kaiser Franz Joseph beschloss im Jahr 1854, seine Residenzstadt grundlegend umzugestalten. Er verfügte: „Das neue Opernhaus ist zu Vorstellungen von Opern und Balletten, wie auch zur Abhaltung von Opernbällen bestimmt.“

Bis diese Pariser Mode der leichten, aber feierlichen Unterhaltung im Wien der Donaumonarchie Fuß fassen konnte, dauerte es allerdings noch bis zum Ende der Siebzigerjahre des 19. Jahrhunderts. Im Januar fanden jedes Jahr zwei so genannte Opern-Redouten statt, auf denen maskiert getanzt wurde. 1899 war zunächst Schluss mit dieser jungen Tradition: Die Baupolizei fand, es gäbe zu wenige Fluchtmöglichkeiten.

Erst 1921 wurde wieder eine Redoute im Opernhaus veranstaltet. Doch wegen der schlechten wirtschaftlichen Situation musste die Republik zunächst auf eine Fortsetzung der Tanzfeste verzichten.

Im Januar 1936 gab es eine Neuauflage – erstmals unter dem Titel „Wiener Opernball“. Die Einnahmen gingen an das Winterhilfswerk. Schon drei Jahre darauf, kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs, war es mit der Ballpracht wieder vorbei, die Oper am Ende des Krieges fast völlig zerstört.

Der Wiederaufbau des Hauses am Ring dauerte zehn Jahre. Es wurde wieder eröffnet mit einer Festvorstellung des „Fidelio“, und im Februar 1956 drehten sich zum ersten Mal nach der nationalsozialistischen Ära wieder die Tanzpaare beim Opernball. Die Presse jubelte damals: „Eine Ballnacht, um die uns die Welt beneidet.“

Seither wird der „Ball der Bälle“, der unter dem Ehrenschutz des österreichischen Bundespräsidenten steht, jedes Jahr mit dem Ausruf „Alles Walzer!“ eröffnet. Traditionell auch die Kleiderordnung: Frauen tragen bodenlange Abendkleider, Herren Frack oder Uniform mit Dekoration.

Traditionell ist der erste Tanz der Walzer Wiener Blut, der links herum getanzt wird. Jedes Jahr gehen damit zweihundert DebütantInnenpaare als Erste auf das Parkett.

In den Achtzigerjahren kam es am Rand des Opernballs regelmäßig zu Demonstrationen und Ausschreitungen. So protestierten 1987 österreichische GegnerInnen der WAA Wackersdorf gegen den Ballbesuch des bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß.

Eine deutsche Fahne wurde verbrannt, Brandsätze geworfen und eine Straßenschlacht angezettelt. Es ist zu erwarten, dass FPÖ-GegnerInnen das diesjährige Tanz-Event als Protestbühne entdecken werden.

Elisabeth Gürtler, Leiterin des Opernballs und Chefin des Nobelhotels Sacher, will mit einigen Neuerungen das Image des Balls renovieren: 23 Künstlerpaare nehmen an der Eröffnung teil, nur 6.400 statt 7.000 Gäste werden zugelassen, die Preise sind gestiegen und die Disco im Keller gestrichen.

Als Motto ist Portugal geplant – eine Reverenz an das Land, das momentan die EU-Ratspräsidentschaft inne hat. Doch Staatspräsident Jorge Sampaio hat seinen Besuch „verschoben“. Nadine Lange