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Brauner Duft in der Heide

Hamburger Neonazi-Netzwerke wollen heute Abend im Kreis Harburg den Geburtstag von Horst Wessel feiern  ■ Von Peter Müller und Andreas Speit

Militante Neonazis aus Norddeutschland machen anlässlich des 70. Todestages des SA-Sturmführers Horst Wessel mobil: In der Heidehalle in Wesel bei Undeloh (Kreis Harburg) soll heute Abend ein Rechtsrock- und Skinkonzert stattfinden, nachdem der zentrale Trauermarsch in Berlin verboten worden ist. Dafür mobilisiert die Neonaziszene um die „Blood and Honour (Blut und Ehre)-Sektion Nordmark“ (B&H).

Die niedersächsische Polizei richtet sich auf einen Großeinsatz ein. „Das Konzert und alle Ersatzveranstaltungen im Landkreis sind verboten“, so ein Polizeisprecher zur taz hamburg. Direkt am Todestag Wessels, am Mittwoch, hatten rund 40 „Freie Nationalisten“ am Abend in Halstenbek zu dessen Ehren einen Kranz an einem Ehrenmal niedergelegt. Die Versammlung wurde nach kurzer Zeit von der Polizei aufgelöst, der Kranz am nächsten Morgen „zur Beweissicherung“ beschlagnahmt. Am gleichen Abend hatten Neonazis in Lübeck das Jugendzentrum „alternative“ überfallen (taz hamburg berichtete).

Für die heutige Veranstaltung in Wesel hat der Tostedter Skinheadführer und B&H-Aktivist Sascha Bothe in Schlips und Anzug die Heidehalle gemietet – für eine „private Geburtstagsfeier“. Auf der „Feier“ sollen die Neonazibands „Stahlgewitter“ und „Landser“ spielen, deren CDs wegen Volksverhetzung auf dem Index stehen.

Obwohl der rechten Skinhead-szene von den Staatsschutzorganen oft Unstrukturiertheit nachgesagt wird, ist das B&H-Netzwerk straff organisiert. Bevor jemand Mitglied wird, muss er eine halbjährige Probezeit absolvieren. Über konspirative Ankündigungen sowie Handy-Leitsysteme gelingt es der B&H-Szene oft, über 1500 Skins an polizeilichen Verboten vorbei zu Konzerten zu manövrieren. Anders als die deutschen Sicherheitsorgane bewerten die Behörden in Frankreich und Italien das B&H-Netzwerk als „terroristisch“. In England und Schweden werden B&H-Kader für Bombenanschläge und Morde an Gewerkschaftern verantwortlich gemacht.

Auch wenn die Rechtsrock-Konzerte in Deutschland oft im Osten oder Süden stattfinden, befinden sich die Zentralen des B&H-Netzwerks – ebenso wie die des „Hammerskin“-Netzwerks um den Lüneburger Skinführer Sven Grewe – in Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg.

Hauptumschlagspunkt für Rechts-Produkte ist laut Verfassungschutz Hamburg. Illegal in den USA hergestellte CDs und Videos werden über Schweden oder Dänemark in die Hansestadt geschmuggelt. Das illegale Vetriebsnetz transportiert aber auch Verbrauchsprodukte wie „T-Hemden“ (eingedeutscht T-Shirts) oder Parfüms: „National – der herbe Duft für das Deutsche Reich.“ Und für die „Kameradin“: „Walküre“, die Flasche für 40 Mark.

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