: Bei Keuchhusten hilft Riesling Spätlese
■ 463. Matthiae-Mahl im Rathaus: Alles ganz vornehm, und Eichel spricht vom Geldsparen
Der heilige Matthias ist der Schutzpatron der Metzger, Zimmerleute, Schmiede, Schneider und Schulkinder. Angerufen wird er bei Keuchhusten und Unfruchtbarkeit. Wenn alljährlich im Großen Festsaal des Rathauses zum Mahl zu Ehren des heiligen Matthias geladen wird, gehören Zimmerleute und Metzger allerdings nicht unbedingt zu den Eingeladenen. Vielmehr sind es eher Senatoren, Konsuln oder Leute vom Schlage eines Jan Philipp Reemtsma und eines Helmut Schmidt, die dort zu tournierten Zucchini und gefüllten Wirsingbällchen (O-Ton Menükarte) tafeln. Streng ausgewählt, in manchen Bürgerschaftsfraktionen wird um die wenigen freien Plätze gelost. Das Matthiae-Mahl, am vergangenen Freitag zum 463. begangen, ist das, wovon Klatschkolumnisten ehrfurchtsvoll raunen, wenn sie von einem gesellschaftlichen Ereignis sprechen.
Erster Gang: Der Bürgermeister. Ortwin Runde lobt die Restaurierung des Festssales – deswegen fiel das Matthiae-Mahl im Vorjahr noch aus – , Runde spricht ein lettisches Sprichwort: „Zeit macht aus einem Gerstenkorn eine Kanne Bier“, Runde zitiert Salomo: „Durch ordentliches Haushalten werden die Kammern voll aller köstlichen, lieblichen Reichtümer“, Runde kriegt die Kurve zum Länderfinanzausgleich, Runde wünscht gute Gespräche. Besser noch als die Gespräche ist der 1995er Niersteiner Bildstock. Dazu mariniertes Filet vom Kalb, danach Seeteufel-Suppe. Das Orchester auf der Empore spielt Mozart, Divertimento in D-Dur.
Zweiter Gang: Der Bundesfinanzminister. „Zwischen Suppe und Hauptgang soll ich die Politik der Bundesregierung erklären.“ Hans Eichel legt los, redet in die edle Gesellschaft hinein vom Geldsparen. Ungeachtet der Stunde ergeht er sich mit Liebe in der „Absenkung des unteren Steuersatzes“, in der „Kostenreduzierung durch pauschalierte Anrechnung“, im „umlagefinanzierten System“. Dazu mundet der Riesling Spätlese halbtrocken. Irgendwann ist Eichel doch fertig. Dann kommt der Hauptgang: Vierländer Entenbrust. Von oben: Johann Sebastian Bach. Der jugoslawische Konsul am Nebentisch spricht über den Kosovo-Krieg. Rotwein wird gereicht.
Dritter Gang: Die lettische Staatspräsidentin. Frau Vaira Vike-Freiberga macht der „jahrhundertealten Tradition“ des Festmahls Komplimente, erinnert sich an ihre Zeit als Kind in Lübeck nach dem Krieg, spricht davon, „was es heißt, ein Dasein unter dem Kommunismus zu fristen“ und sagt, dass die lettische Staatsbank eine konsequente Finanzpolitik verfolgt. Da freut sich auch Hans Eichel. Alle anderen freuen sich über den 1996er Chateau Coudert.
Vierter Gang: Keine Rede mehr. Nur noch Cognac und Liqueure. Noch mal Mozart. Am kommenden Donnerstag gehts weiter: Opernball in Wien. Es soll in diesem Jahr noch einige freie Plätze geben.
Peter Ahrens
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