piwik no script img

Rücktritt nach Atom-Schlamperei

Geschäftsführer der britischen Firma, der die skandalträchtige Atomanlage Sellafield gehört, nimmt seinen Hut. Während seiner Amtszeit wurden Exportdokumente für Brennelemente gefälscht ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Nachdem schwere Sicherheitsmängel in der britischen Atomanlage Sellafield bekannt geworden sind, ist gestern der Geschäftsführer von British Nuclear Fuels (BNFL), John Taylor, zurückgetreten. BNFL ist die Betreiberfirma der Plutoniumschleuder Sellafield im Nordwesten Englands, zu der neben dem ältesten AKW der Welt, Calder Hall aus dem Jahr 1956 zwei Wiederaufarbeitungsanlagen gehören. Vor elf Tagen hatte die staatliche Atomanlageninspektion einen Bericht veröffentlicht, in dem BNFL schwere Verstöße gegen die Sicherheitsvorschriften und „systematische Managementfehler“ vorgeworfen werden. So fälschten Angestellte des Brennelementewerkes in Sellafield seit 1996 Dokumente über interne Qualitätskontrollen.

BNFL wollte Taylors Rücktritt gestern nicht bestätigen. Industrieminister Stephen Byers sagte jedoch: „Ich begrüße John Taylors Entscheidung zurückzutreten. Unter den gegebenen Umständen war es der richtige Schritt.“ Er wird ihm mit einer Abfindung von umgerechnet einer knappen Million Mark erleichtert.

Taylors Rücktritt ist nur der Anfang. Laurence Williams von der Atomanlageninspektion sagte: „Es hat keinen Sinn, ein paar Produktionsarbeiter zu entlassen. Die Verantwortung beginnt ganz oben.“ BNFL hatte fünf Arbeiter in der 18 Milliarden teuren Anlage für Mischoxid-Brennelemente (MOX) entlassen, weil sie die Begleitpapiere für Lieferungen nach Japan gefälscht hatten. Das war den Japanern aufgefallen, sie stornierten daraufhin sämtliche Aufträge.

1996 lieferte BNFL vier Brennelemente an das deutsche AKW Unterweser. Die Betreiberin PreußenElektra will BNFL nun auf Schadensersatz verklagen, weil man die Elemente vorsichtshalber ausgetauscht hat. In Hannover forderte Niedersachsens Umweltminister Wolfgang Jüttner (SPD) das Bundesamt für Strahlenschutz inzwischen auf, keine Atomtransporte nach Sellafield mehr zu genehmigen. Dem TÜV Nord droht der Verlust von Gutachter-Aufträgen, weil die Schlamperei im AKW Unterweser nicht aufgefallen war.

Die Sicherheitsprobleme betreffen aber nicht nur Sellafield. BNFL ist das größte britische Staatsunternehmen, es beschäftigt 20.000 Menschen. Neben Sellafield gehören der Firma acht MOX-Reaktoren. Das Umweltamt hat bei Hinkley Point A ebenfalls „extrem schwere Management-Fehler“ festgestellt: Die radioaktiven Emissionen zwischen Dezember 1997 und Ende vorigen Jahres seien im Bericht einfach um die Hälfte heruntergesetzt worden, weil sie den Angestellten als zu hoch erschien. Man hielt die Messung für falsch. Darüber hinaus ist bei der Eröffnung des Reaktors 1965 ein Druckbehälter aus Stahl nicht getestet worden, wie sich jetzt herausstellte.

John Taylor, der 1996 vom Ölmulti Exxon gekommen war, sollte den Verkauf von 49 Prozent der BNFL-Anteile vorbereiten. Aufgrund der ständigen Sicherheits-skandale hatte man diesen Plan ohnehin schon auf einen Termin nach den nächsten Wahlen verschoben.

Nun kann man ihn wohl ganz vergessen, denn nach dem Bericht der Atomanlageninspektion laufen Sellafield inzwischen die Kunden davon.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen