: Amerika will kein europäisches Milchgesicht als IWF-Chef
Schlechte Karten für Caio Koch-Weser. Eine erneute Kandidatenwahl wird immer wahrscheinlicher
Washington (taz) – Der Eklat ist da. Der Krach zwischen den USA und Europa um den neuen Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) hätte – glaubt man amerikanischen Darstellungen – vermieden werden können, wenn Bundeskanzler Schröder nicht starrköpfig auf der Durchsetzung Caio Koch-Wesers als Nachfolger von Michel Camdessus beharrt hätte.
Das Weiße Haus aber will Koch-Weber nicht, denn: Der Mann habe kein Standing und könne international keine Koalitionen zusammenbringen. Er sei eine Kreatur der entwicklungspolitisch ausgerichteten IWF-Schwester Weltbank, ihm fehle die Erfahrung in makroökonomischen Dingen. Kurz: Koch-Weser ist zu sozial. Clinton hatte am Samstag Bundeskanzler Schröder beschworen, den Mann zurückzuziehen. Schröder aber hat Koch-Weser auch gegen innereuropäischen Widerstand durchgesetzt, sodass er jetzt offizieller Kandidat der EU ist. So sind die Amerikaner mit ihrer Ablehnung an die Öffentlichkeit gegangen.
Im IWF, einer Art Sonderhilfsfonds zur Bekämpfung von Wirtschaftskrisen vor allem in Entwicklungsländern, sind die Stimmen nach den Einlagen der Nationen gewichtet. Die USA haben dabei mit 18 Prozent des Fonds von etwa 90 Milliarden Dollar den größten Einzeleinsatz, die EU kommt auf gesammelte 37 Prozent. Das Gentlemen’s Agreement bestand bisher darin, dass ein Europäer den Topjob beim IWF bekommt, die Amerikaner aber eine Art Vetorecht haben. In der Diskussion um die Nachfolge Camdessus’ vereinigten sich bislang ein Dutzend Entwicklungsländer hinter dem Amerikaner Stanley Fischer. Den in Sambia geborenen naturalisierten Amerikaner unterstützten selbst Länder wie Syrien und der Irak, was bemerkenswert ist, denn Fischer ist Jude.
Jetzt sieht alles nach einer Kampfabstimmung aus. EU-Kandidat Koch-Weser erfreut sich schweizerischer, brasilianischer und chinesischer Unterstützung, Fischer genießt weiterhin den Zuspruch des größten Teils der Entwicklungsländer, und dann gibt es noch einen japanischen Kandidaten, den als Mr. Yen bekannten Eisuke Sakakibara. Es ist unwahrscheinlich, dass die Amerikaner Fischer durchsetzen wollen. Wahrscheinlicher ist, dass nach einem ersten Wahlgang ein neuer europäischer Kandidat präsentiert wird. Peter Tautfest
Bericht Seite 8, Kommentar Seite 12
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen