: Mosambik braucht Schuldenerlass
Nach der Flutkatastrophe in Mosambik fordern Großbritannien und die Bundesregierung eine raschere Entschuldung. Bisheriger Erlass geht nicht weit genug ■ Von Kordula Doerfler
Johannesburg (taz) – Angesichts der verheerenden Flutkatastrophe in Mosambik mehren sich die Stimmen, die eine schneller als bisher geplante Entschuldung des Landes fordern. Als erstes Land hat Großbritannien Mosambik seine bilateralen Schulden vollkommen erlassen und die anderen EU-Mitglieder aufgefordert, diesem Beispiel zu folgen. Auch die Bundesregierung kündigte an, Schulden in Höhe von 62 Millionen DM zu streichen. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) will zudem internationalen Druck ausüben, dass der bereits grundsätzlich beschlossene Erlass für multilaterale Schulden vorgezogen wird. Die entsprechende Sitzung der Weltbank sollte ursprünglich Ende März stattfinden. „Wir drängen darauf, dass diese Sitzung jetzt vorgezogen wird“, sagte die Ministerin am Dienstag. Durch die Flutkatastrophe wird Mosambik in seiner Entwicklung um Jahrzehnte zurückgeworfen. Die in den vergangenen Jahren nach dem Bürgerkrieg mühsam wiederaufgebaute Infrastruktur ist wortwörtlich in den Fluten untergegangen.
Zwar ist das Land in den vergangenen Jahren zum Lieblingskind von Weltbank und Weltwährungsfonds avanciert. Doch trotz zweistelliger Wachstumsraten war es auch vor der jetzigen Katastrophe eines der ärmsten und am höchsten verschuldeten Länder der Welt: 80 Prozent der Bevölkerung leben auf dem Land, 70 Prozent davon in extremer Armut, jede Stunde sterben elf Kinder an den Folgen von Armut. Dazu kommen jetzt vermutlich eine Million Menschen, die durch das Hochwasser obdachlos geworden sind und alles verloren haben. Mindestens 800.000 sind von Seuchen wie Cholera und Typhus und einer schweren Malaria-Epidemie bedroht – in einem Land, in dem es für knapp 17 Millionen ohnehin nur 400 Ärzte gibt. Gleichzeitig gehört die ehemalige portugiesische Kolonie am Indischen Ozean zu den 41 am höchsten verschuldeten Ländern der Welt, den so genannten HIPC-Staaten. Auf 5,4 Milliarden US-Dollar belaufen sich die Schulden des Landes, eine sowieso unbezahlbare Summe.
Bereits im April 1998 entschieden Weltbank und Internationaler Währungsfonds, dass Mosambik grundsätzlich für einen Schuldenerlass in Frage kommt. Im vergangenen Jahr sah man schließlich die strengen Kriterien für einen solchen Erlass als erfüllt an. Das von der ehemals marxistisch orientierten Befreiungsbewegung Frelimo regierte Land hatte ein schmerzhaftes Strukturanpassungsprogramm durchlaufen und seine mehr als 1.100 Staatsbetriebe restlos privatisiert, eine Mehrwertsteuer eingeführt und eine Reform des aufgeblähten öffentlichen Dienstes versprochen.
Im Gegenzug sollen dem Land 3,4 Milliarden Dollar seiner Gesamtschulden erlassen werden – allerdings zu neuen, höchst umstrittenen Bedingungen. Zum einen darf die Regierung ihre Cashewnuss-Industrie nicht mehr subventionieren. In der Praxis heißt das, dass die verarbeitenden Fabriken dafür geschlossen bleiben und 10.000 Arbeitsplätze verloren sind. Dazu kommt eine weitere Auflage: Künftig darf kein sauberes Wasser mehr kostenlos an die Landbevölkerung verteilt werden. Vor allem die zweite Maßnahme führt in der Bevölkerung zu der Überzeugung, dass der Schuldenerlass die Armut eher noch verstärken werde.
Für das Land bedeutet das, dass es in den kommenden Jahren durchschnittlich 41 Millionen US-Dollar weniger pro Jahr zur Schuldentilgung aufbringen muss. Waren das in den vergangenen Jahren durchschnittlich 114 Millionen US-Dollar, werden es bis zum Jahr 2004 noch rund 73 Millionen US-Dollar jährlich sein. Nach der Kölner Schuldeninitiative der G-7-Staaten wird der Betrag voraussichtlich auf durchschnittlich 60 Millionen Dollar jährlich sinken. Das gesparte Geld wird nun allerdings ausschließlich zum Wiederaufbau verwendet werden müssen und nicht, wie ursprünglich geplant, zur Erhöhung der Sozial- und Bildungsausgaben.
Sowohl der mosambikanischen Regierung als auch der „Schuldengruppe Mosambik“ geht das allerdings nicht weit genug. Einmütig fordern Politiker, Gewerkschaften und Kirchen einen totalen Schuldenerlass. „Der Norden und nicht die betroffenen Länder selbst entscheiden darüber“, kritisiert der anglikanische Bischof von Maputo, Bernardino Mandlate.
Auch die „Schuldengruppe Mosambik“, ein Zusammenschluss von nichtstaatlichen Organisationen, hält die bisher getroffenen Regelungen für zu kurz gegriffen. „Für ein unterentwickeltes Land wie Mosambik reicht die HIPC-Initiative nicht aus“, meint Gina dos Reis, Vorsitzende der Schuldengruppe. Modell könnte jetzt ein Vorschlag der deutschen Kampagne „Erlassjahr 2000“ sein, die angesichts der Katastrophe ein vollständiges Moratorium fordert – ähnlich wie in Honduras und Nicaragua vor zwei Jahren nach dem Wirbelsturm Mitch.
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