HighSchmuddelity

Der Friedrichshainer Plattenladen On/Off hat jetzt ein eigenes Label – und veröffentlicht kaputten Techno ■  Von Andreas Hartmann

Wer nicht nur hin und wieder auch mal Platten kaufen geht, sondern exzessiv und mit latentem Hang zur Sucht, der weiß es zu schätzen, wenn ein Plattenladen mehr ist als nur eine sterile Verkaufsfläche mit Sonderangebot-Abteilung. In einem richtig guten Plattenladen wird man nicht bedient wie an der Wursttheke. In einem richtig guten Plattenladen müssen die Platten, die man gerade sucht, im Schaufenster hängen und auf die Frage nach den Ergüssen einer obskuren japanischen Topfdeckelklopfcombo auf einem noch viel obskureren Label aus Oberfranken, will man eben kein Schulterzucken ernten, sondern die Platte bestellt bekommen. On/Off im Friedrichshain ist so ein guter Plattenladen. Klein, dass man sich kaum darin umdrehen kann, aber es ist alles da. Und das beste: Die Platten japanischer Topfdeckeltrommler hängen meist im Schaufenster.

Der Laden gehört Osti. Kein Scherz. Osti ist eigentlich der Nachname von dem Menschen, der meint, sein Vorname tue nichts zur Sache. Osti hat, und auch das ist ungelogen, immer dieselbe speckige schwarze Lederjacke an und dauernd fettige Haare. Aber das steht ihm, das hat Schmuddel-Charme. Und das muss auch so sein. Denn Osti steht vor allem auch auf Musik mit dem richtigen Quentchen Schmuddelei. Egal ob es sich nun um schweinigeligen Redneck-Garagen-Trash handelt oder um Atari-Rumpel-Elektronik. Ein wenig daneben, kaputt, billig oder schmuddelig sollte die Musik schon sein. Auch die eigene. Nachzuhören auf der soeben erschienenen ersten Veröffentlichung von On/Off-Records, dem auf die Schnelle aus dem Boden gestampften Kleinstlabel von Osti.

Das Projekt nennt sich Automato und hat sich auf ihrer EP „Jubelfiles“ einen kruden Billig-Equipment-Techno aus den verranzten Hemdsärmeln gezaubert, der elektronischen Müll in Schleifen überführt, sogar groovt, aber eher untanzbar ist. In einer Rezension der Platte in der De:Bug konnte man etwas über den Vergleich mit dem dubigen Basic-Channel-Sound lesen. Damit kann Osti aber überhaupt nichts anfangen. „Wir haben ja einen ganz anderen Ansatz als die. Wir beherrschen unser schrottiges Elektronik-Equipment eigentlich überhaupt nicht. Bei uns läuft das eher so mal-schauen-was-beim-Fummeln-herauskommt-mäßig.“ Was das genaue Gegenteil der elaborierten Sound-Tüfteleien bei Basic Channel ist.

Automato ist eine der beiden Combos, bei denen Osti beteiligt ist. In der anderen, deren Namen mal wieder nichts zur Sache tut, macht er mit ein paar anderen Schockschwerenötern Garagen-Space-Psychedelic für Nervenamputierte. Sozusagen. Fragt man nun Osti Sachen wie: Warum ein neues Label? Ist das eine Gegenposition zur immer größer werdenden Berliner Underground-Label-Szene? Wie soll es weiter gehen? Stehen irgendwelche Vernetzungen an? Bleibt die Sache elektronisch oder nicht? Wohin? Washalb? Warum?, erntet man nur gelangweilte Antworten wie „Halt so“, „Nö“, „Weiß nicht“, „Keine Ahnung, eher nicht“, „Mal sehen“. Fuck-you-Gestotter halt. Programmatische Ansätze, ein Labelprofil und den ganzen Semi-Business-Kram können andere verfolgen, hier geht es vor allem um Spaß, Spaß und Spaß. Und natürlich um Musik. So was in der Art jedenfalls.

Immerhin ist es schon geplant, demnächst etwas von den Zen Faschisten zu veröffentlichen oder zumindest von diesen ein Stück von Automato remixen zu lassen. Und die Zen Faschisten, die passen nun wirklich bestens zu der Nichtprogrammatik von On/Off. Gibt es die Band doch schon Jahre lang, zu mehr als ungefähr zweieinhalb Singles hat es bei denen auch noch nicht gelangt. Sich um die extremen Ränder – also auch um sich selbst – kümmern, Tapes von Doc Schoco den Kunden im Plattenladen anbieten und in der benachbarten Astro-Bar nicht bloß langweiligen 60ties-Trash wie alle anderen Gelegenheits-DJ runternudeln, das treibt Osti um. Irgendwie wirkt das somit bei On/Off alles ganz symphatisch. Während sich Kitty Yo und all die anderen längst für On entschieden haben, gibt es hier ein striktes Off. Hier – das muss so gesagt werden dürfen – spielt der wahre Berliner Underground.

On/Off, Boxhagenerstr. 112 Automato: Jubelfiles (On/Off-Records // Hausmusik) Record-Release-Party am Montag, 6. März, 20 Uhr, Oberbaum City, Rotherstr. 20