: Werberat rügt humanitäre Strickwaren
Die Benetton-Kampagne stößt international auf harsche Kritik. Das Unternehmen soll sich den Gefängniszutritt erschlichen haben
Dass die Bekleidungsfirma Benetton mit ihrer Verknüpfung von Strickwaren und Humanität in die Schlagzeilen gerät, ist bei jeder Kampagne einkalkuliert bzw., wie Kritiker sagen, Hauptzweck der ganzen Angelegenheit.
Gestern beschloss der Deutsche Werberat, den laufenden Benetton-Werbefeldzug mit in US-Gefängnissen einsitzenden Mördern, die auf ihre Hinrichtung warten, zu beanstanden. Und weil Benettons Kommunikationschef und Kapagnenfotograf OlivieroToscani in seinen Interviews in letzter Zeit so oft „Scheiße“ sagt (taz vom 20. 1.), formuliert der Werberat seine Beanstandung ebenfalls ein bisschen harscher: Das Unternehmen betreibe „Marktpropaganda mit Mördern ohne Rücksicht auf die Opfer“. Toscani, so Volker Nickel, der gleichzeitig für den Werberat und den Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft spricht, sei der „Rattenfänger“ der Werbewirtschaft: „Er spielt das Lied vom Tod, damit ihm die Menschen in die Geschäfte folgen.“
Gegenwind beutelt das Unternehmen auch in den USA: Während das Porträt des in Nebraska einsitzenden Jerem Sheets genehmigt war (Sheets muss jetzt allerdings seine 1.000 Dollar Fotohonorar an eine Opferorganisation abtreten), hat Benetton anderswo angeblich getrickst: Im US-Bundesstaat Missouri erhob Generalstaatsanwalt Jeremiah Nixon Klage gegen das Unternehmen, weil sich Toscani und Crew für das Bild des 26-jährigen Jerome Mallet angeblich als Newsweek-Mitarbeiter ausgaben. „Wir hätten ihnen niemals den Zutritt erlaubt, wenn wir gewusst hätten, dass die Bilder nachher auf Plakatwänden landen. Dem Gefängnispersonal ist ausdrücklich verboten, Fotos von den Häftlingen zu machen. Und wir werden das wohl kaum italienischen Strickwarenherstellern erlauben“, sagte Nixon dem Observer. Richtig ist zumindest, dass der an der Kapagne beteiligte Journalist Ken Shulman auch für Newsweek arbeitet. Nach Benetton-Darstellung waren die Behörden dagegen genau über das Projekt, informiert.
Die Auseinandersetzung holt Benetton auch ökonomisch ein: Die Handelskette Sears, Nummer zwei in den USA hinter Wal-Mart, hat noch im Februar alle Verträge mit Benetton gekündigt.
Unter Umständen steht Toscani mit seiner Strategie aber noch vor einem viel größeren Dilemma: Zwar bestreitet der Starfotograf vehement, dass ihm allmählich die heißen Eisen ausgehen, die im Namen der Strickwaren zu beiderseitigen Wohl angepackt sein wollen. Zumindest führt zu häufige Schockwerbung à la Benetton aber zur Abstumpfung. stg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen