: Entschädigung als PR
Handelskammer fordert Hamburger Firmen auf, dem Entschädigungsfond für NS-ZwangsarbeiterInnen beizutreten ■ Von Elke Spanner
Viel steht auf dem Spiel. Auch für ehemalige NS-ZwangsarbeiterInnen, denn deren „Zeit wird knapp“, stellt die Hamburger Handelskammer zutreffend fest. Vor allem aber für die durch den Berufsverband vertretenen Firmen. An die appellierte die Handelskammer nun, der Stiftungsinitiative „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ von deutscher Wirtschaft und Bundesregierung beizutreten, denn „die Menschen im In- und Ausland schauen auf uns: Unser internationales Ansehen steht auf dem Spiel.“
Um das zu retten, veröffentlichte die Handelskammer in der Märzausgabe der Publikation Hamburger Wirtschaft nun einen „Spendenaufruf“. Ein Beitritt zur Initiative, so die Entwarnung, sei keinesfalls ein Schuldeingeständnis, sondern „ein Zeichen der Solidarität“. Deshalb sollen auch diejenigen Firmen Geld zur Verfügung stellen, die entweder damals keine ZwangsarbeiterInnen beschäftigten oder selbst noch gar nicht existierten. Parallel zu diesem Aufruf schreibt die Handelskammer rund 6000 ins Handelsregister eingetragene Firmen direkt an.
Zwar erwähnt der Aufruf in einem Satz auch, dass durch das Geld geholfen werden könne, das „ZwangsarbeiterInnen und früheren NS-Opfern widerfahrene Unrecht zu lindern“. Die Unternehmen sollen bei ihrer Entscheidung aber auch an sich selber denken, als Teil der deutschen Wirtschaft: Ein Scheitern der Stiftungsinitiative, für die immer noch drei Milliarden Mark fehlen, „würde dem Ansehen der deutschen Wirtschaft im Ausland großen Schaden zufügen – vor allem in den USA“. Damit „verliert jeder von uns“.
Und wird auch noch sanktioniert. Denn ohne die Stiftung, so die Mahnung in der Hamburger Wirtschaft, „müssen wir damit rechnen, auch zukünftig erheblichem Druck aus der Politik und durch die Medien ausgesetzt zu sein, z.B. durch Anzeigenkampagnen, Boykottaufrufe“.
Statt diese Gefahr auf sich zu nehmen, sollen die Unternehmer ihren Obulus entrichten, Gegenleistung garantiert: Wenn die Stiftung zustande kommt, würde eine „umfassende und dauerhafte Rechtssicherheit“ ausgesprochen, dass die Firmen nie wieder mit der Forderung nach Entschädigungszahlungen für NS-ZwangsarbeiterInnen behelligt werden.
Insgesamt muss die deutsche Wirtschaft fünf Milliarden Mark für die Stiftung aufbringen. Bisher gibt es Zusagen in Höhe von noch nicht einmal der Hälfte der ausgehandelten Summe. Von 213 Hamburger Unternehmen ist bekannt, dass sie im Nationalsozialismus ZwangsarbeiterInnen beschäftigten. Der Stiftungsinitiative beigetreten sind sieben Firmen.
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