piwik no script img

■ Rosi Rolands Bremer Geschichten„Denkfabrik“ im Hollerland raucht!

Bremen hat eine waschechte „Denkfabrik“. Der Weser Kurier hat es enthüllt und gleich mit Foto vorgeführt. In der voll verglasten Penthouse-Etage hoch über dem Naturschutzgebiet Hollerland hat sich der frühere Staatsrat Frank Haller ein neues Büro eingerichtet – mit EU-Mitteln, versteht sich. Erstes Ergebnis aus dieser Denkfabrik: Bremens Sanierungs-Investitions-Förder-Programm wird nicht erfolgreich sein. „Aus eigener ökonomischer Kraft wird Bremen nicht in der Lage sein, die Sanierung des kleinsten Bundeslandes bis 2004 erfolgreich zu beenden.“ Das bedeutet, der Bund und die anderen Bundesländer, die immerhin 16 Milliarden Mark zur Sanierung zur Verfügung gestellt haben und die zweite Tranche mit der ausdrücklichen Erklärung, dies müsse die Letzte sein, müssten einer „stadtstaatengerechten Finanzreform“ zustimmen ... – oder ...? Hier raucht der Schornstein der Denkfabrik nicht mehr.

Aus der Denkfabrik wurden dem Organ vorab eine Studie zur Verfügung gestellt, die es offiziell noch nicht gibt, aus der das Organ aber breit zitieren durfte: Bremens Strukturwandel kommt nicht recht voran, trotz aller Anstrengungen und Sonder-Subventionen liegt Bremen beim „Dienstleistungsbesatz“ zwischen Essen und Dortmund, Bremerhaven hinter Ingolstadt. „Die Bilanz fällt mager aus“, faßt Hallers Organ zusammen.

Die Expertise ist allerdings eine reine Auswertung von Statistiken über den Dienstleistungs-Bereich. Kein Satz über die scheiternde Sanierung, keine Analyse der Gründe des Scheiterns, im Grunde keine Zeile über das Problem, kein Gedanke und mögliche Konsequenzen. Die „Denkfabrik“ erscheint als freihändige Satz-Fabrik von einem, der es wissen muss: Immerhin hat Haller das Sanierungsprogramm weitgehend selbst entwickelt.

Untermieter im Hause Haller und Teilnehmer der „Denkfabrik“ ist jener Prof. Schäfer, der früher einmal ein großes volkswirtschaftwirtschaftliches Prognose-Instrumentarium entwickeln wollte und auch die Sanierungsanstrengungen in den ersten Jahren stets mit unveröffentlichten positiven Gutachten begleitete, bezahlt von jenem Wirtschaftsressort, in dem Haller das Sagen hatte.

Und hat: Denn nachdem der eine Satz über das Scheitern der Sanierung am Donnerstag im Organ stand, stand er am Freitag wieder drin, diesmal aber nicht von Haller zitiert, sondern von seinem Wirtschaftsenator Josef Hattig. Orininalton Haller am Donnerstag: „Das Tempo hat nicht ausgereicht, um aufzuholen“, Bremen brauche Hilfe von außen etwa in Form einer stadtstaatengerechten Finanzreform. Orginalton Freitag: „Ohne eine stadtstaatengerechte Finanzreform, das sagt Hattig klipp und klar, könne Bremen die Sanierung nicht schaffen.“

Die Rauchzeichen aus der Denkfabrik haben ein Echo gefunden. Das ging so schnell, dass Hattig die Sache dem Senat noch nicht erklären konnte. Finanzsenator Perschau verbreitete den bekannten gebetsmühlenartigen Strahle-Optimismus. Von Perschau stammt auch die Idee, Bremen solle die knauserigen Geber-Länder einfach überstimmen mit den anderen Habenichtsen zusammen. Bravo! Perschau gehört auch in die gläserne Denkfabrik, findet Rosi Roland

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen