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„Kommt von Herzen“

■ Der „Weserpark“ – „Kaufen und Erleben“ – liegt zwar noch nicht an der Weser und ist auch eigentlich kein Park, aber zehn wurde er dennoch / Ein Glückwunsch

Das schlagende Argument wäre Schlagregen gewesen. So aber trieb nur der Schnee. Immerhin war es fingerkalt. Oft kritisiert, weiter ungeregelt: Das Flussbett der Weser befindet sich immer noch nicht in der Nähe. Trotz all dieser Widrig-, vielleicht sogar Schludrigkeiten feierte der so genannte „Weserpark“ am Sonnabend seinen zehnten Geburtstag. Zum Gratulieren waren angerückt: Radio Schmier von Bier (o.s.ä.), die Bewohner von Osterholz-Tenever (vollzählig), ein gewisser Herr Schmierlapp (o.s.ä.), der allen Ladeninhabern, die es zehn geschlagene Jahre im Weserpark ausgehalten haben, einen Blumenstrauß gab. Und wir von hier, die taz. Ein herzliches Happy Birthday auch von dieser Stelle. (Oder, wie Herr Schmierlapp formulieren würde: „Ich gebe Ihnen die Linke, die kommt von Herzen!“).

Man kommt auch im „Weserpark“ um Geschäfte nicht herum, die Kleidungsstücke anbieten, als wären unsere Kleiderschränke leer. Bei der Bewertung solcher Geschäfte wird gern verglichen, wie es um den Sex in den Umkleidekabinen bestellt ist. Hier eine kurze Zusammenfassung unserer Recherche im „Weserpark“:

– Bei „Adler“ setzt man geräumige „Mobilumkleiden“ (Fachjargon) ein. Die Spiegel sind zugleich Rückwände und also nicht halbdurchlässig (Kameraüberwachung!). Zwischen Vorhang und Fußboden sind bedenkliche 40 Zentimeter frei, was den Kabinensex natürlich einschränkt, wenn man sich von fremden Blicken stören lässt. Allerdings existieren Hocker!

– „Peek & Cloppenburg“: Hier lädt eine große Bank zu allerlei Experimenten ein, der Vorhang hängt zehn Zentimeter tiefer als bei „Adler“, und sehr große Spiegel verwöhnen das Auge („das Auge liebt mit!“).

– Bei „Hennes & Mauritz“ sind die Umkleiden freundlich eingerichtet, viel Holz, eine Schwingtür, aber ein halber Meter Bodenfreiheit, und oben kucken die Köpfe raus. Die Musikbeschallung lässt offen, ob sie anregt oder abkühlt („Denn mit dir hab ich das Gefühl, dass wir heut Nacht unsterblich sind“ etc.).

– Der Hit: „Ulla Popken“. Große Kabinen, tief herunterhängende Vorhänge, Spielecke für Kinder. Nachteil: Es handelt sich um ein Fachgeschäft für Damen mit Übergröße. Zarter gebaute Damen und erst recht Herren brauchen ein wenig Mut, um sich hier in einer Umkleidekabine zurückzuziehen.

Das Motto des „Weserpark“ ist „Kaufen und Erleben“. Da wurde zum 10. Wiegenfest nicht zu viel versprochen. Ein Porträtist zum Beispiel porträtierte Menschen, die wir Umstehenden während der Sitzung nach Herzenslust anstarren konnten (wann kann man das schon mal?). Erleben konnte man auch am Stand der Bürgerpark-Tombola, an dem sich die Leute wie blöd drängten, dass die Leute immer das wollen, was sie schon kennen. (Seit die Bürgerpark-Tombola im „Weserpark“ ist, fürchten alle innerstädtischen Bürgerparktombolabuden um ihren Fortbestand!) Auch Herr Schmierlapp, der die Postfiliale enthusiastisch lobte („Ist der Eindruck falsch, dass es bei der Post nach der Privatisierung freundlicher zugeht?“) war ein unvergessliches Erlebnis, weil man fürs Zuhören mit Gratisprosecco abgefüllt wurde.

Die Zoohandlung warb übrigens für sich mit einer 4,50 Meter langen Python, die widersträubenden Kleinkindern für einen Schnappschuss um den Hals gelegt wurde. Man kann im „Weserpark“ solche Tiere leider nicht kaufen, sie sind aber zu bestellen und kosten ab 150.- Mark aufwärts. Werden 9 Meter lang. Haben zwar keine Giftzähne, aber beißen gelegentlich, das tut weh, und „man blutet wie ein Schwein, und wenn die dir ins Gesicht beißt, dann hast du ein Problem“. So äußerte sich gegenüber dieser Zeitung eine weitgehend nackte Würgeschlangendompteurin.

Den begehrten Titel „Fachgeschäft des Monats“, den die taz gelegentlich vergibt, erhält diesmal „Hundt, der Fachmarkt für Sonnenschutz und Sicherheit“. Zweck und Inhalt dieses Geschäftes bleiben auch nach Ortstermin rätselhaft, doch wer sich für den Schutz der bedrohten Sonne einsetzt, muss gelobt werden. Schön ist am „Weserpark“ aber auch, dass es einen Dessous-Laden namens „Bella Donna“ gibt. Wie dort die Umkleiden sind? Testen Sie selbst! BuS

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