piwik no script img

Kultur- statt Kampftag

Der Internationale Frauentag wird in der Hauptstadt immer häufiger eher kulturell als politisch begangen. Die Frauenszene ist zersplittert und stellt keine gemeinsamen Forderungen mehr auf. Die Projekte klagen über chronischen Geldmangel

In diesem Jahr werben schon die Blumenläden für den 8. März. Das sagt alles. Der Tag ist entleert, abgefeiert. Ein bisschen wie der 1. Mai.

von JULIA NAUMANN

Ein Frauenfrühstück in Evas Arche, ein Wohlfühltag bei Brunnhilde e. V., eine Modenschau im Kieztreff Undine ... Das klingt wie aus einem Prospekt einer Wellness-Farm, ist aber aus dem Programm des „Berliner Frauenfrühlings“, einem Zusammenschluss von Projekten und Vereinen in der Hauptstadt, die rund um den 8. März den Internationalen Frauentag feiern. Kultur dominiert. Mit politischen Forderungen hat nur die Hälfte der rund 150 Veranstaltungen in den drei „Frauenfrühlingswochen“ zu tun. Dabei geht es dann beispielsweise um das eigenständige Bleiberecht von ausländischen Ehefrauen und die Rentenfrage.

Von einem „Frauenkampftag“ ist wenig zu spüren, denn auch die übrigen Veranstaltungen sind in diesem Jahr eher kultur- als politiklastig. Frauensenatorin Gabriele Schöttler (SPD) verleiht den „Berliner Frauenpreis 2000“ an die Kabarettistin Maren Kroymann und eine U-Bahn-Linie ist für einen Monat mit Zitaten von unbekannten und bekannten Philosophinnen gepflastert.

Der Internationale Frauentag wird zwar in Berlin durchaus gefeiert, doch ein verbindendes Thema gibt es nicht mehr. Zu zerplittert sind die Gruppen, zu sehr haben die Frauenprojekte mit ihrer Existenz zu kämpfen.

Der Elan der Mitarbeiterinnen in den Fraueneinrichtungen, sich mit dem 8. März als symbolischem Datum zu beschäftigen, ist geringer geworden. Die Projekte sind chronisch unterfinanziert. Ein Beispiel: Anfang der 90er-Jahre hatte das EWA-Frauenzentrum, eines der bekanntesten Projekte in der Stadt noch 12 Mitarbeiterinnen, heute sind es nur noch 5.

Ausgerechnet heute will der Hauptauschuss des Berliner Abgeordnetenhauses über den Haushalt der Frauenprojekte für dieses Jahr beraten. Er soll rund 30 Millionen Mark betragen. Die Projekte wollen mehr: Sie fordern 400 Millionen Mark. Das ist 1 Prozent des gesamten Haushalts in Berlin.

Warum tragen die Frauen ihre Forderungen nicht am Internationalen Frauentag auf die Straße? Ist der Tag für sie nur noch ein altbackendes Ritual ohne Sinn? Haben sie die die Schnauze voll von Politik? „In diesem Jahr werben schon die Blumenläden für den 8. März. Das sagt alles“, lästert Sabine Hark, wissenschaftliche Assistentin für Frauen-und Geschlechterforschung an der Universität Potsdam. Der 8. März sei ein bisschen wie der 1. Mai: „entleert, abgefeiert“. Und Barbara Hömberg, seit neun Jahren Geschäftsführerin des Frauenzentrums EWA, resümiert: „Der 8. März ist gesamtgesellschaftlich aus den Augen verloren worden.“ Seit einiger Zeit stehe der „politische Anstrich hinten an“. Für Stefanie Hömberg (nicht mit Barbara Hömberg verwandt), die in der Kreuzberger Schokofabrik arbeitet, hat der Tag immer noch etwas mit „Politik, Solidarität und Feiern zu tun.“ Es sei immer noch ein „Frauenkampftag, ein linker Tag“. Für Gerhild Vollherbst, Mitarbeiterin im Kulturbereich der „Begine“, einem langjährigem Frauentreffpunkt, ist der 8. März ein „schwieriges Datum“, das wieder mit neuen Inhalten gefüllt werden müsse.

Die Frauen, die meist schon jahrelang in Frauenzusammenhängen arbeiten, sind sich einig, dass es für diesen Tag neue politische Aktionsformen mit Symbolkraft geben muss. Doch wie diese aussehen sollen, weiß keine von ihnen so recht. Eine Demonstration sei nur noch sinnvoll, wenn viele Frauen kämen. Das setzt jedoch gemeinsame politische Forderungen und eine gute Organisation voraus. „Mit 200 Greteln durch die Stadt zu laufen ist peinlich“, sagt Stefanie Hömberg. Die von autonomen Frauen organisierten Demonstrationen hatten in den vergangenen Jahren selten mehr als 1.000 Teilnehmerinnen. Für heute haben die autonomen Frauen keinen Marsch angesetzt. Autonome Frauen konzentrieren sich nach wie vor auf explizit feministische Themen wie Gewalt gegen Frauen, arbeiten aber auch öfters in gemischten Gruppen als noch vor zehn Jahren. Die autonome Bewegung ist insgesamt geschwächt, neue Themen wie Flüchtlingsarbeit sind relevant geworden. Andere Frauen wollten ganz einfach aus der „Frauennische“ raus, sagt eine langjährige Mitstreiterin.

Der Anmelder der diesjährigen Demonstration – der überregionale, eher bürgerliche Frauenverband Courage – will eine breite Öffentlichkeit ansprechen, zum Beispiel Gewerkschafterinnen. Dazu gehört für sie, dass Männer nicht ausgeschlossen werden. Für die feministischen Frauenprojekte, wie die Schokofabrik, war das nicht tragbar, sie stiegen während der Vorbereitungen aus.

Die Ziele der Demonstration sind schwammig formuliert: Die Frauen (und Männer) wollen gegen die „gesellschaftlichen Verschlechterungen von Frauen“ protestieren, wie es eine Mitveranstalterin ausdrückt.

Wenn es kaum noch Gemeinsamkeiten gibt, wird der Frauentag immer mehr zum Feier- als zum Kampftag. Das letzte Mal, als in Berlin wirklich viele Frauen, zumal aus unterschiedlichen Spektren, auf die Straße gingen, liegt schon einige Jahre zurück. Es war der 8. März 1994, der bundesweite Frauenstreiktag. Damals legten Tausende von Frauen mit spektakulären Aktionen Berlin lahm. An der zentralen bundesweiten Aktion „Jetzt schlägt’s 13“ besetzen hunderte von Frauen Kreuzungen in allen Bezirken der Stadt. Beteiligt waren Frauen aus Parteien sowie zahlreiche Projekte und autonome Frauen. Auch damals waren die Themen global – Sozialabbau, Arbeitslosigkeit, Paragraf 218, aber die Frauen hatten fünf Jahre nach der Wende offenbar noch mehr Kraft und Idealismus und ein größeres Zusammengehörgkeitsgefühl. Der Frauentag wurde vor der Wende sehr unterschiedlich begangen. Im Osten wurde die Frau im Betrieb und in der Familie mit Blumen und Kuchen gefeiert. Der Tag war wesentlich institutionalisierter.

Ein offizielles Motto für den diesjährigen Frauentag gibt es nicht, die Macherinnen des Frauenfrühlings haben ihre Veranstaltungen unter den Titel „Visionen“ gestellt. Das ist für den Zustand der Bewegung programmatisch: „Wir wollen uns erarbeiten, was uns zukünftig wichtig ist“, sagt Mitveranstalterin Gitta-Bianca Ploog. An Themen mangelt es indes nicht: Frauen in der Bundeswehr, die Abtreibungspille RU 486, die Rentenfrage werden häufig genannt.

Für die Wissenschaftlerin Sabine Hark liegt das erlahmte Interesse daran, dass die Frauenbewegung, genauso wie alle anderen sozialen Bewegungen, „kranke“. Das Bedürfnis „nach dem Gemisch sozialer und politischer Zusammenhänge“ sei verschwunden. Das spürt auch Barbara Hömberg von EWA. „Wir werden immer mehr zum Dienstleistungszentrum“, klagt sie. Die Frauen wollten beraten werden und kulturelle Angebote genießen. Die Besucherinnen hätten kaum noch Interesse daran, die Räume des Frauenzentrums eigenständig zu nutzen, sagt Hömberg. Und das, obwohl im EWA das Publikum „supergemischt sei“: Ost-und Westfrauen, Lesben, Mütter.

Der Begriff „Feminismus“ werde heute „als irgendwie anrüchig“ angesehen, hat Sabine Hark festgestellt. Es werde von „Frauenpolitik“ oder explizit von „gemischtgeschlechtlicher“ Poltik geredet. Die Diskussion um Differenz und Gleichheit zwischen Frauen, die in den 90er-Jahren geführt wurde, habe dazu geführt, dass es schwierig geworden sei, im Namen der Frauen zu sprechen, weil die Lebensrealitäten vielschichtiger seien. Auch deshalb sei es nicht einfach, ein gemeinsames Ziel für den Frauentag zu finden. Ähnliches gelte für die „Queer“-Diskussion, bei der die Geschlechtergrenzen aufgelöst werden. Sabine Hark: „Es ist nicht mehr eindeutig, was unter ‚Frau‘ verstanden wird.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen