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Das große Fressen

Die Allianz hat angerichtet. Die Deutsche schluckt die Dresdner Bank. Und hat noch Appetit

von HANNES KOCH

Der größte Versicherungskonzern der Welt hat entschieden. Unter der Ägide der Allianz AG mit Sitz in München wird die Deutsche Bank die Konkurrentin Dresdner Bank schlucken. Die Übernahme liegt vor allem im Interesse der Versicherungsgesellschaft und gilt als bislang größter Coup des neuen Finanzvorstands Paul Achleitner (42). Der kam unlängst von der US-Bank Goldman-Sachs und soll die Firmenbeteiligungen der Allianz neu organisieren. Diese Aufgabe geht er furios an.

Für die Allianz laufe der Zusammenschluss auf eine „Stärkung des eigenen Geschäfts“ hinaus, sagt Uwe Foullong vom Bundesvorstand der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV). Durch Aufkauf von Versicherungsgesellschaften wie der französischen AGF, von Firmen in Südkorea und die Eröffnung eines Ablegers in Shanghai ist die Allianz dabei, ihre Versicherungen weltweit an die KundInnen zu bringen. Wenn sie nun im Zuge der Bankfusion die Versicherung Deutscher Herold von der Deutschen Bank übernehmen würde, fiele nicht nur ein lästiger Konkurrent weg, sondern unterschiedliche Typen von Versicherungsleistungen könnten billiger aus einer Hand verkauft werden.

Außerdem deutet viel darauf hin, dass die Allianz das gesamte Privatkunden-Geschäft der Deutschen Bank mit rund 1.300 Filialen (Bank 24) und die Deutsche Gesellschaft für Wertpapiersparen (DWS), die Banktochter für die Verwaltung von Fondsvermögen, übernimmt. Im Sinne des „Allfinanz“-Konzeptes würde die Allianz dann nicht nur Versicherungen, sondern alle Geld-Dienstleistungen im Paket anbieten können, die normale Menschen so brauchen: vom Girokonto über den Privatkredit bis zur Feuerversicherung und kleineren Aktienverwaltung. Das ist die eine Möglichkeit. Die andere: Die Allianz gibt später die Bankaktivitäten zum Beispiel an die HypoVereinsbank ab (Allianzbeteiligung: 17,4 Prozent) und behält nur die Versicherungsteile der Deutschen Bank. In jedem Fall kann die Versicherung in Zukunft mehr Produkte einem größeren KundInnenkreis anbieten, was höhere Gewinne verspricht.

Natürlich erwartet Allianz-Vorstand Achleitner im Zuge der Fusion auch, dass sein Besitz an den beiden Banken mehr Profit abwirft. Die Allianz hält fünf Prozent an der Deutschen Bank und 22 Prozent der Dresdner-Bank-Aktien, weiß aber auch, dass die Finanzinstitute an ihren Filialen keine große Freude haben. „Zu viel Kleinkram, zu viel Kontoauszüge, zu viel Personal, zu geringe Gewinne“, heißt es in den Bankvorständen. Irgendwie wollen sich die Banken der PrivatkundInnen also entledigen. Die Deutsche Bank hat schon mal angefangen, indem sie die Filialen in die neue Tocher Bank 24 ausgelagert hat.

Auch für die Deutsche Bank ergibt die Übernahme also einen Sinn. Vorstand Rolf Breuer wird das Kleinvieh los: den größten Teil der rund 7,5 Millionen privaten KundInnen. Zurück bleiben die Schichten der Bevölkerung, mit der eine Bank richtig Geld verdienen kann: Diejenigen mit Vermögen von einigen hunderttausend oder Millionen Mark, die größere Beträge in Aktien investieren und entsprechende Provisionen an die Bank zahlen oder den Kredit für den Bau ihrer Villa benötigen. Zu den bevorzugten KundInnen der Deutschen Bank gehören natürlich auch die Unternehmen – besonders solche, die entweder groß sind oder ihrerseits fusionieren wollen. Denn bei Firmenzusammenschlüssen zu beraten und die Fusion in die Wege zu leiten, bringt einer Bank richtig Geld. Bei der Übernahme von Mannesmann durch Vodafone verdienten zum Beispiel die Berater mehrere hundert Millionen Mark.

Nach Einschätzung des Bremer Ökonomen Rudolf Hickel schaffen sich sowohl die Allianz als auch die Deutsche Bank mit ihrem Geschäft eine „stärkere Heimatbasis“. Darauf aufbauend würden die Konzerne in Zukunft mit höheren Gewinnmargen in die Welt hinausschweifen und Konkurrenten schlucken können. Der Kauf des US-Instituts Bankers Trust und der Investmentbanker von Morgan Grenfell durch die Deutsche Bank waren bereits Schritte in diese Richtung.

Die Botschaft der Fusion lautet also: Der größte Versicherungs- und der größte Bankkonzern der Welt werden von Deutschland aus in Zukunft ein wichtigeres Wort in der globalisierten Wirtschaft mitzureden haben.

Und das mit Unterstützung der rot-grünen Regierung. Die von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) anvisierte Steuerbefreiung für Unternehmensverkäufe, gegen die auch die Grünen nichts Wesentliches einzuwenden haben, erleichtert die Übernahme der Dresdner durch die Deutsche Bank. Denn im Zusammenhang damit wird die Allianz ihren Beteiligungsbesitz neu strukturieren und dabei vermutlich einige Milliarden Mark sparen. Früher mußten Unternehmen Steuern an den Staat zahlen, wenn sie Aktien verkauften – diese Steuern sollen demnächst zum größten Teil wegfallen.

Zum anderen wird die Steuerbefreiung den großen Finanzkonzernen eine ganz neue Durchschlagskraft auf ihrem globalen Fischzug verleihen. Da sie Beteiligungen bald steuerfrei verkaufen können, haben sie viel mehr Geld zur Verfügung, um sich die Unternehmen auf dem Weltmarkt einzuverleiben, die zu ihrer Strategie passen.

An der Neuausrichtung der deutschen Wirtschaftspolitik, die die internationale Rolle der hiesigen Konzerne stärkt, ist die Allianz im Übrigen nicht unbeteiligt. Versicherungsvorstand Achleitner sitzt zum Beispiel in der Regierungskommission, die im Auftrag von Bundeskanzler Schröder neue Regeln für die Übernahme von Firmen erarbeiten soll.

Dass all dies für die Beschäftigten nichts Gutes heißt, liegt auf der Hand. „Wir fürchten ein Massensterben der Filialen und die Streichung einer großen Zahl von Stellen“, sagt HBV-Gewerkschafter Foullong. Von zwei Filialen der Deutschen und Dresdner Bank, die sich an vielen Straßenkreuzungen gegenüberliegen, wird, wenn überhaupt, nur eine überleben. Der Verlust an Arbeitsplätzen könnte auf lange Sicht durchaus ein Drittel der 50.000 Stellen bei der Deutschen und 30.000 bei der Dresdner Bank im Inland betragen. Denn für global agierende Bankkonzerne sind die Beschäftigten an den Schaltern in Castrop-Rauxel und Villingen-Schwenningen nicht mehr so wichtig.

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