Spaniens Konservative fest im Sattel

Bei den Parlamentswahlen am Sonntag dürfte das neue Linksbündnis von Sozialisten und Kommunisten keine Chance haben. Wirtschaftsboom und neue Arbeitsplätze helfen Regierungschef Aznar, seine Minderheitsregierung fortzusetzen

aus Madrid Reiner Wandler

Die spanischen Medien sind sich einig: Was die potenziellen Wähler in den letzten zwei Wochen über sich ergehen lassen mussten, war kein Wahlkampf, sondern eine Versteigerung: Stimmen gegen Höchstgebot. Der Kandidat der sozialistischen Oppositionspartei PSOE, Joaquín Almunia, verspricht den Beziehern der Mindestrente eine Einmalzahlung von 350 Mark innerhalb der ersten 100 Tage nach einem etwaigen Wahlsieg. Die regierende konservative Volkspartei (PP) von José María Aznar hält mit einer generellen Erhöhung von rund 10 Mark im Monat dagegen.

Die einen wollen die Steuern senken, die anderen die Last zugunsten der Schlechterverdienenden neu verteilen. 800.000 neue Arbeitsplätze oder gar Vollbeschäftigung, die Versprechungswut kennt keine Grenzen im Vorfeld der Wahlen vom kommenden Sonntag, zu denen beide Blöcke ohne klares Programm angetreten sind.

Regierungschef José María Aznar macht diesen Mangel mit der Aufzählung seiner vor allem wirtschaftlichen Erfolge wett. Spanien erlebte in den letzten vier Jahren einen wirtschaftlichen Boom ohnegleichen. 3,7 Prozent legt die spanische Ökonomie dieses Jahr zu. 1,8 Millionen neue Arbeitsplätze entstanden in den letzten vier Jahren. Dazu trug nicht zuletzt Aznars geschickte Gewerkschaftspolitik bei: Er holte die Tarifpartner an einen Tisch und brachte etliche Regelungen auf den Weg.

„Wir werden uns steigern“, heißt angesichts dieser Bilanz das einfache Wahlmotto Aznars. Und anders als noch vor vier Jahren sind sich alle Umfragen einig: Die PP wird die Wahlen gewinnen. Aznar wird wohl auch weiterhin ein Minderheitenkabinett bilden müssen, doch werden ihm nur wenige Stimmen zur Parlamentsmehrheit fehlen. Um die zu erreichen, wird er einmal mehr mit den katalanischen Nationalisten von Convergencia i Unio (CiU) des Präsidenten der Autonomieregierung in Barcelona, Jordi Pujol, paktieren. Auf die Stimmen der Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV), mit der es vor drei Monaten nach Scheitern des baskischen Friedensprozesses zum Bruch kam, wird Aznar verzichten können.

Der Gegenkandidat der sozialistischen PSOE, Joaquín Almunia, kämpft gegen die Altlasten in den eigenen Reihen. Viele Wähler vermissen eine echte Erneuerung bei den Sozialisten. Die Korruptionsskandale und die Affäre des schmutzigen Krieges gegen baskische Separatisten, die vor vier Jahren zur Abwahl des sozialistischen Regierungschefs Felipe González führten, sind längst nicht ausgestanden. Noch immer laufen zahlreiche Gerichtsverfahren. So mancher der Beschuldigten findet sich abermals auf den Listen der PSOE.

Auch das Versprechen, im Falle eines Sieges diesmal wirklich eine fortschrittliche Politik zu machen, weckt keine allzu großen Illusionen. Auch das Wahlbündnis nach französischem Vorbild mit der kommunistisch dominierten Vereinigten Linken (IU) täuscht nicht darüber hinweg, dass sich Almunia mit zahlreichen ehemaligen sozialistischen Ministern umgibt.

In den letzten Tagen kam es gar zu offenen Meinungsverschiedenheiten zwischen IU-Chef Francisco Frutos und Almunia. Der Sozialist legte ein Programm für die ersten 100 Tage fortschrittliche Regierung vor und vergaß darin so wichtige Vereinbarungen mit IU wie die 35-Stunden-Woche oder die Abschaffung der Zeitarbeitsvermittlungen.

Einziges Trostpflaster für die Sozialisten ist Andalusien. Bei den dort zeitgleich angesetzten Wahlen für das Autonomieparlament liegt die PSOE klar vorn.