: Die Macht aus der Königinstraße
Die Münchner Allianz AG ordnet ihr Weltreich. Die 1890 gegründete Versicherung wird noch mehr Fusionen à la Deutsche und Dresdner Bank sponsern
von REINER METZGER
Die Allianz AG schwimmt in Geld. Seit Jahrzehnten spendieren ihr die Deutschen Milliarden von Mark jährlich für Sach- und Lebensversicherungen. Im Jahr 1999 stand das Beitragsaufkommen laut Branchenexperten bei über 50 Milliarden Euro, davon knapp die Hälfte aus Deutschland. Das verwaltete Vermögen – Festverzinsliches, Aktienbeteiligungen und Immobilien – liegt seit dem Kauf des angelsächsischen Versicherers Pimco bei über 660 Milliarden Euro.
Die Allianz hat aber auch ein Problem mit all den Milliarden: Wohin damit? Und wie sollen sich die Chefs das Gefühl erhalten, abends, wenn sie der Chauffeur nach Hause lotst, dass sie heute wieder einmal richtig Geld verdient haben, dass sie ihrem Ruf als die große Macht aus der Münchner Königinstraße gerecht werden?
Schon seit ihrem Entstehen 1890 war alles auf Größe angelegt. Die Münchner Privatbankiers der Familie von Finck waren die Gründer. Bei Inflation und Wirtschaftskrise in den 20er- und 30er-Jahren kam die Allianz besser über die Runden als viele andere Versicherungen und kaufte ein Unternehmen nach dem anderen. Und auch die Nazizeit brachte einen Schub fürs Geschäft. 1949 wurde die Hauptverwaltung von Berlin nach München verlegt – wo doch im roten Osten alles enteignet und das Auslandsgeschäft verloren war.
In all den Jahrzehnten nach dem Krieg lief es dann wieder prächtig. Im Land des Wirtschaftswunders stiegen die Grundstückspreise rasant – schön für Immobilienbesitzer wie die Allianz. Und die großen deutschen Firmen feierten einen Erfolg nach dem anderen, ihr Wert stieg im weltweiten Vergleich wie heute die Internetaktien. Da fiel es der Allianz leicht, im deutschen Konsens zu bleiben: Alle Großkonzerne haben ein wenig überall mitzureden über ihre kleinen Über-Kreuz-Beteiligungen. Und die Deutsche Bank und die Allianz ein wenig mehr, weil sie ja auch mehr und höhere Firmenanteile besaßen.
In den letzten Jahren war nun alles anders, auch für die Allianz. Der Boom der Wiedervereinigung war vorbei, die Freude über den Kauf der gößten DDR-Versicherung verrauchte. Selbst die Großaquisitionen in den USA, der Schweiz und zuletzt 1998 in Frankreich waren verdaut. Die Allianz war der größteVersicherungskonzern der Welt. Jetzt legt die Globalisierung die Messlatte für gute Finanzverwalter immer höher. „Während der Dax im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre rund 14 Prozent erzielte, liegen wir mit unseren Industriebeteiligungen bei 16 Prozent“, verriet der scheidende Allianz-Vorstand Diethart Breitpohl Ende letzten Jahres dem manager magazin. Das ist nicht schlecht, wird der normale Anleger denken.
Die Manager der Allianz scheinen anderer Ansicht zu sein. Ihr 1999er Gewinn von 4,7 Milliaren Euro vor Steuern ist nicht genug. Auch der Börsenwert von rund 150 Milliarden Euro ist im Vergleich mit so manchem Computer-Neureichen allzu niedrig. „Die Verhältnisse, dass einer dem anderen nicht wehtun will, gibt es nicht mehr“, so Breitpohl. „Niemand kann sich das heute noch leisten.“ Und so gingen die Münchner an die Optimierung ihres Portfolios.
Die Riesenbrocken an den diversen Unternehmen kann der Versicherungskonzern nicht einfach verkaufen. Das wäre Verschwendung und würde teilweise auch die Börse überschwemmen und so den Kurs drücken. Besser ist es, die Firmen zu einer Neuordnung nach Art der Börsianer zu drängen: Rationalisieren, aufs Kerngeschäft konzentrieren und möglichst hoch profitable Bruckstücke an die Börse bringen. So wurde Ende 1996 die Bayerische Vereinsbank mit der dortigen Hypothekenbank verschmolzen zur zweitgrößten Bank der Republik – Vermittler im Hintergrund: die Allianz. Und nun der Coup Deutsche/Dresdner. Damit wird nicht nur der Unternehmenswert der ansehnlichen Aktienpakete des Versicherers an den beiden Banken gehoben. Gleichzeitig kassiert die Allianz einen Großteil der Privatkunden und einen Teil der Vermögensverwaltung.
Das größte Problem für die Rendite bei solchen Transaktionen behebt derzeit ausgerechnet die rot-grüne Bundesregierung: Sie hat bei der Unternehmenssteuerreform vorgesehen, die Steuern für Gewinn aus Kapitalbeteiligungen von 50 auf null Prozent herunterzufahren. „Prohibitiv“ und eine „echte Benachteiligung gegenüber Frankreich oder den USA“ nannte die Allianz das. Wenn die Bundesregierung das Gesetz in der derzeitigen Form durch den Bundesrat bekommt, muss sie künftig gar nichts mehr zahlen. Da wird noch die eine oder andere Allianz-geförderte Fusion folgen.
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