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Machtwort zur Fusion

Was kann die Politik der Globalisierung entgegenhalten? Der Kanzler glaubt, die Antwort zu kennen: Ein Fusionsgesetz noch in diesem Jahr

aus Berlin Beate Willms

Der Kanzler rief seine Experten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zusammen, bat zwei Gewerkschafter hinzu, sprach ein Machtwort – und zeigte sich anschließend überrascht, wie konstruktiv alles über die Bühne gegangen war. Noch in diesem Jahr, so das Ergebnis des Spitzentreffens am Donnerstagabend, soll ein Fusionsgesetz verabschiedet werden, das gewährleistet, dass künftige Unternehmensübernahmen „fair und transparent“ vor sich gehen.

Bislang existiert in Deutschland nur ein freiwilliger Übernahmekodex aus dem Jahr 1995, der aber keine flächendeckende Anerkennung gefunden hatte. Auch bezieht er sich allein auf die Gleichbehandlung der Aktionäre und lässt die Information und Beteiligung der Beschäftigten völlig außer Acht. Weniger als die Hälfte der börsennotierten Gesellschaften bekennen sich zu seinen Regeln. „Es ist erstaunlich, wie einhellig sich alle für ein Gesetz ausgesprochen haben“, kommentierte denn auch Jürgen Kurz, der Sprecher der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW), die ebenfalls an der Expertenrunde beteiligt war. Zu erklären sei das wohl nur mit dem Eindruck der rasant zunehmenden Fusionsbereitschaft, die in dem Zusammenschluss von Deutscher und Dresdner Bank gerade erst wieder einen neuen Höhepunkt erreicht hat. Bundeskanzler Schröder hatte die Kommission nach der milliardenteuren Abwehrschlacht der deutschen Mannesmann AG gegen die Übernahme durch den britischen Konkurrenten Vodafone eingerichtet.

„So viel Unübersichtlichkeit darf nicht sein“, so Kurz. Künftig soll der Bieter deshalb verpflichtet werden, Aktionäre, aber auch Arbeitnehmervertreter „frühzeitig und umfassend“ über die geplante Geschäftspolitik zu unterrichten. Dabei darf es keinen Unterschied zwischen den Beschäftigten des übernehmenden und des übernommenen Unternehmens geben. „Es zeichnet sich ab, dass die Interessen der Beschäftigten in dem Gesetz gewahrt werden können“, formulierte vorsichtig DGB-Vorstandsmitglied Heinz Putzhammer, der auch in dem Gremium sitzt, gegenüber der taz. Die Mitbestimmungsrechte sollen auch bei einem Unternehmensumbau gewahrt bleiben. „Da hat der Kanzler ein Machtwort gesprochen.“

Ob und wie weit das geplante Gesetz Abwehrmaßnahmen des angegriffenen Unternehmens verbietet, wie eine geplante EU-Richtlinie vorsieht, ist noch unklar. „Aber auf keinen Fall wird der Angegriffene grundsätzlich den Mund halten müssen“, so Putzhammer.

Strittig ist auch die Frage, ob der Käufer eines Unternehmens den Aktionären anbieten muss, ihnen ihre Anteile gegen Bargeld abzukaufen – oder ob ein Aktientausch ausreichend ist. Bislang hatten die Gewerkschaften, aber auch Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos), die DSW und die Grünen auf Barzahlung beharrt. Hauptargument: Ein Anleger, der der Fusion nicht zustimme, müsse die Chance haben, sich ganz aus dem neuen Unternehmen zu verabschieden. Vertreter der Wirtschaft hatten jedoch dagegengehalten, dadurch würden viele Übernahmen von vornherein unmöglich, zumal sich der Börsenwert vieler Unternehmen bisweilen weit vom Buchwert entfernt habe.

Am Donnerstagabend zeichnete sich jedoch offenbar ein Kompromiss ab: Die Aktionäre sollen nur Wertpapiere zugeteilt bekommen, die liquide gehandelt und rasch zu Geld gemacht werden können.

Ebenfalls noch uneinig sind sich die Experten darin, ab welcher Schwelle ein Kaufinteressent allen Anteilseignern ein Pflichtangebot für ihre Anteile machen muss. Im Gespräch ist ein Besitz von 25 bis 30 Prozent der Gesellschaft. Kurz hält dies jedoch für zu hoch gegriffen. „De facto hat ein solcher Großaktionär schon mit erheblich geringeren Anteilen eine 75-Prozent-Mehrheit auf der Hauptversammlung und damit die Chance, wichtige strategische Entscheidungen zu treffen.“ Auf den Aktionärsversammlungen seien selten mehr als 25 Prozent des Kapitals vertreten.

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