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Fluglärm-Initiative: „Rechtsbruch“

■ Die Vereinigung zum Schutz der Fluglärm-Geschädigten ist stocksauer: Ex-Senator Beckmeyer hat der Dasa 1999 klammheimlich mehr Starts und Landungen auf dem Flughafen genehmigt

Am 26. Juni 1999 hat der SPD-Landesparteitag per Beschluss bekräftigt, dass „die der Bevölkerung anlässlich der Erweiterung des Flughafens gegebenen Zusagen auf Dauer eingehalten“ werden sollen. Es geht dabei um den Lärmschutz der Anwohner im Bereich der Einflugschneisen dieses innerstädtischen Flughafens. Auf bremischer Seite ist vor allem Habenhausen davon betroffen, auf niedersächsischer Seite Stuhr. Die Klarstellung der SPD hatte der Bundestagsabgeordnete Konrad Kunick verlangt, weil im neuen Koalitionsvertrag etwas undurchsichtig die Rede war von der „vollen Nutzbarkeit der vorhandenen Kapazitäten“.

Bei einer Verlängerung der Startbahn in Jahre 1990 war im Grundbuch des Bauern Wähmann rechtlich fixiert und auch in einem „Stuhr-Vertrag“ den niedersächsischen Anwohnern von dem damaligen Häfensenator Kunick versichert worden: Das Verlängerungs-Stück um jeweils 300 Meter werde „ausschließlich“ zum Transport von Airbus-Flügeln genutzt und sei kein Trick, um den Flughafen auszubauen.

Die „Vereinigung zum Schutz Flugverkehrslärm-Geschädigte“ (VSF) fürchtete 1999 den „Bruch“ des Stuhr-Vertrages und wurde mit dem SPD-Beschluss beruhigt: Kein Grund zur Sorge, Verträge werden „auf Dauer“ eingehalten.

Auf dem Parteitag saß einer schweigend dabei, der es besser wissen musste: Uwe Beckmeyer, für den Flughafen zuständiger Häfensenator. Beckmeyer hatte am 14. Juni einen Brief der Dasa auf den Tisch bekommen, in dem eine Ausnahme von dem Stuhr-Vertrag beantragt wurde: Für die „Flugerprobung einer geänderten VFW 614“ sollte die Startbahn-Verlängerung genutzt werden. Am 22.6., vier Tage vor dem Parteitag, unterschrieb Beckmeyer höchstpersönlich: Die Dasa darf.

Monika Morschel, eine Aktivistin der Fluglärm-Initiative mit SPD-Parteibuch, ist empört über die Verlogenheit des Spitzengenossen. „War der Parteitagsbeschluss nur ein Lippenbekenntnis?“ fragt sie. Und: Wie ernst nehmen Senatoren ihre Partei?

Die Sondergenehmigung wurde weder der offiziösen Fluglärmkommission noch der engagierten Bürgerinitiative mitgeteilt. „Wie Detektive“ arbeiten die Fluglärmgeschädigten Anwohner von der VSF, schreiben genau Tag und Uhrzeit auf, wenn sie nachts trotz geltendem Nachtflugverbot von einem „Brummer“ aufgeweckt werden.

Direkt an der Startbahn hat der Bauer Wähmann seinen Hof – hatte, denn seine Felder musste er Stück um Stück abgeben. Noch aber steht das Haus – mit freiem Blick auf die Startbahn. Die Frau dieses Bauern, dem die Beschränkung der Zusatz-Startbahn auf die Airbusflügel-Transporte per Grundbuch-Eintrag rechtlich verbindlich zugesichert worden war, hat im Dezember 1999 einen der Starts, die nach dem Stuhr-Vertrag nicht sein dürften, per Zufall beim Blick aus dem Fenster beobachtet.

Der alltägliche Kampf der VSF geht um die Nachtruhe: Zwar gilt ein „Nachtflugverbot“, Scheibchen für Scheibchen in den Jahren eingeschränkt auf die Zeit zwischen 22.30 Uhr und 6 Uhr morgens, aber die Ausnahmen vom Nachtflug-Verbot nehmen dennoch weiter zu. Um einen im Schlaf aufschrecken zu lassen, reicht derweil schon die eine „Ausnahme“ des Postfluges mitten in der Nacht.

Zudem wird der Flugplan in schöner Regelmäßigkeit so genehmigt, dass Langstrecken-Flüge fünf Minuten vor Beginn des Nachtflugverbotes um 22.30 Uhr ihre offizielle Landezeit haben – die Überschreitung um 10 oder 20 Minuten ist so zur Regel geworden. Im Frühjahr 1999 hatte die Condor sogar in ihrem Plan einfach einen Start um 5.35 Uhr ausgedruckt – das wurde korrigiert, als die Initiative Alarm schlug.

Immer wieder ist die Bürgerini-tiative auf das Problem gestoßen, dass die Einhaltung der öffentlich gegebenen Zusagen nicht von unabhängiger Seite kontrolliert wird. Der Flughafen selbst hat keinerlei Interessen an solchen Kontrollen und deren Veröffentlichung, als Aufsichtsbehörde zuständig wäre das Häfenressort. An dessen Spitze steht einer, der qua Amt auch Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafen Bremen GmbH ist – und gleichzeitig verantwortlich für offizielle Ausnahmen von unterschriebenen Verträgen. „Ein offensichtlicher Interessenkonflikt“, findet Monika Morschel und fordert eine saubere Trennung der Kontroll-Funktion.

Der Bremer Senat plant übrigens, diese unerbetene Kontrolle vom Bauernhof Wähmann schlicht zu beseitigen: Wenn die Neuenlander Straße zur Autobahn 281 gemacht wird, dann soll dort, wo sich jetzt noch die Diele des Bauern Wähmann befindet, die örtliche Zufahrts-Straße für Metro und Toys verlaufen. Das alte Bauernhaus zwischen Neuenlander Straße und Startbahn, in dem sich der alte Bauer verbarrikadiert hat, muss dann weg. Auch das haben die für die Stadtplanung Verantwortlichen dem alten Bauern Wähmann noch nicht gesagt. K.W.

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